Eine Woche wie diese erlebt man selbst in Unterföhring nicht so oft. Gerade einmal zwei Tage ist es her, dass der gesamte ProSiebenSat.1-Vorstand gehen musste. Dementsprechend gespannt durfte man auf Henrik Pabsts Auftritt bei den Medientagen München sein. Und tatsächlich schlug der Chief Content Officer von ProSiebenSat.1 auf dem TV-Gipfel zunächst ungewohnte Töne an – und dankte seinen Kolleginnen und Kollegen für ihren "großartigen Job jeden Tag". "Die Zeiten sind so stürmisch", sagte Pabst im Gespräch mit DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges.

Wie viel Geld sein Haus künftig in Inhalte stecken wird, vermochte aber auch er nicht zu sagen. Es sei nun die Aufgabe, zusammen mit den neuen Kolleginnen und Kollegen von MFE aus Italien "Synergien rauszufinden und Wachstum zu schaffen", sagte Pabst. Am Ende diktiere jedoch der Werbemarkt, was man tun werde. "Und unsere Kostendisziplin und harte Arbeit bringen den Rest dazu." Kostendisziplin verlangt Pabst aber auch von der Kreativ- und Produktionswirtschaft, an die er appellierte, bisherige Arbeitsweisen zu überdenken. "Wir müssen den Satz 'Das haben wir schon immer so gemacht' hinterfragen", forderte der ProSiebenSat.1-CCO und verwies darauf, dass "The Voice of Germany" in den Niederlanden deutlich günstiger produziert werde als in Deutschland, letztlich aber genauso aussehe. Und ob man für eine Realityshow mit 100 Leuten auf eine Insel fliegen müsse? "Die Antwort kann nur Nein lauten", sagte Pabst.

Sein Heil sucht ProSiebenSat.1 zunehmend aber auch in Kooperationen – wie etwa mit Amazon im Falle der Neuauflage von "Der letzte Bulle". Die Serie wird bekanntlich nur einen Monat lang exklusiv bei Prime Video zu sehen sein, ehe die Free-TV-Ausstrahlung in Sat.1 erfolgen wird. Dabei gehe es darum, "gemeinsame Marketingpower zu nutzen", erklärte Henrik Pabst und sprach von einem "neuen Miteinander", von dem auch Christoph Schneider, Country Director bei Prime Video und Managing Director bei Amazon Digital Germany, zu profitieren hofft. "Eine Partnerschaft funktioniert nur dann, wenn sie für beide gut ist", sagte Schneider auf den Medientagen. Im Falle des "letzten Bullen" gehe es auch darum, mehr Reichweite zu schaffen, um die Serie "in die breite Masse" zu bringen – in der Hoffnung, weitere Staffeln produzieren zu können.

"Reichweite ist eine sehr kurzfristige Strategie"

Deutlich kritischer sieht BR-Intendantin Katja Wildermuth das Thema Kooperationen – allen voran mit Amazon und Google. Beide Anbieter seien "absolut marktbeherrschend", sagte sie. Man müsse sich fragen, was am Ende übrig bleibe, "wenn alle mit allen zusammenarbeiten", so Wildermuth. Christoph Schneider verglich die Channel-Strategie von Amazon mit einem Shop. Dieser sei jedoch "nur so interessant wie die Marken, die darin verkauft werden". "Es ist uns daran gelegen, die Marken unserer Partner glänzen zu lassen", betonte er und erinnerte daran, dass in den USA "noch kein einziger Partner wieder weggegangen ist". Für Wildermuth hat das aber auch andere Gründe: "Natürlich gehen nicht mehr viele weg, weil Ihnen die Marktdominanz schon ziemlich gut gelingt", sagte sie in Richtung des Amazon-Managers.

Auch zu YouTube hat die BR-Intendantin ein ambivalentes Verhältnis, wenngleich man dort hohe Reichweiten erziele. Allerdings sei Reichweite "eine sehr kurzfristige Strategie", betonte Katja Wildermuth. Vielmehr gehe es ihr um eine langfristige Bindung. Das Problem der ARD sei die Conversion hin zur eigenen Mediathek – die funktioniere in einigen Fällen, etwa bei "Checker Tobi", durchaus gut. "In anderen Fällen reden wir uns das schöner als es ist", erklärte sie auf dem TV-Gipfel. "Nicht jeder, der uns bei YouTube sieht, kommt in die Mediathek." Sie sehe das daher "mit einem lachenden und einem skeptischeren Auge".

Für Andreas Briese, Director Content Partnerships für Zentraleuropa bei YouTube, gibt es gleichwohl keinen Anlass, etwas an der Strategie zu ändern – zumal die Video-Plattform auch auf dem großen Bildschirm immer mächtiger wird. Schon jetzt würden 21 Millionen Menschen monatlich in Deutschland auf dem großen Bildschirm YouTube nutzen, in den USA sei YouTube gar die meistgenutzte Streaming-App. Allzu groß ist das eigene Risiko dabei nicht: "Wir sind die Plattform und nicht der Programmdirektor", erklärte Briese – und machte damit dann auch den Unterschied zu den TV-Vertretern auf der Bühne deutlich, die YouTube mit ihren Inhalten Tag für Tag füttern. Allein Elke Walthelm, Chief Operating Officer bei Sky Deutschland, verwies bei den Medientagen auf gleich 22 Accounts, die ihr Haus bei YouTube betreibt. "Da erreichen wir eine Zielgruppe und schaffen eine Reichweite, die wirklich relevant ist", sagte sie. Zugleich betonte Walthelm, dass Distributionspartnerschaften einen großen Stellenwert für Sky besitzen.

Doch ähnlich wie bei ProSiebenSat.1 schwebt auch über der Zukunft des Nachbarn aus Unterföhring ein Fragezeichen, schließlich ist die geplante Sky-Übernahme des Pay-TV-Anbieters durch RTL noch immer nicht geschafft - was am Tag zuvor bereits RTL-Chef Stephan Schmitter kritisierte, indem er mehr Tempo forderte (DWDL.de berichtete). Bis die Entscheidung des Kartellamts durch ist, heißt es damit auch für Elke Walthelm: Abwarten. "Wir führen unser Business so weiter wie bisher", sagte sie. "Stand heute ist es für uns wichtig, dass wir das Versprechen, das wir unseren Kunden gegeben haben, auch weiter erfüllen."