Foto: ARDUlrich Wickert handelt mit seiner aktuellen Klage zwar zunächst einmal im ureigenen Interesse - und könnte doch gleichzeitig einen Kampf kämpfen, den so viele schon seit langer Zeit geführt sehen wollen, ohne den ersten Schritt zu machen. Der frühere "Tagesthemen"-Moderator will wissen, warum er als sogenannter Drittsendeanbieter bei RTL nicht zum Zug kam. Alle fünf Jahre werden die nach wie vor - auch im Zeitalter unzähliger Sendervielfalt und Internet - gesetzlich vorgeschriebene "Fensterprogramme" für Kultur bei den großen privaten Fernsehsendern ausgeschrieben. In diesem Jahr ging es um die Sendeflächen bei RTL. Die wollte Ulrich Wickert gerne künftig mit seiner Produktionsfirma UWP bestücken - und bewarb sich im Januar diesen Jahres um die Lizenzen. Doch am Ende ging er leer aus und der Gewinner hieß einmal mehr Alexander Kluge. Das findet längst nicht nur Wickert fragwürdig, der sich noch dazu ärgert, dass er nicht einmal von der zuständigen Landesmedienanstalt in Niedersachsen angehört wurde.
 
Deshalb klagt Wickert jetzt. Denn alles erwecke den Eindruck als habe die Landesmedienanstalt gar kein Interesse an dem gehabt, was er mit seiner Produktionsfirma UWP anzubieten gehabt hätte. Seine Klage richtet sich zwar gegen die Landesmedienanstalt, beigeladen aber sind RTL und Alexander Kluge, wie die "FAZ" am Freitag berichtet. Sicher nicht uneigennützig will Wickert anscheinend das System der Vergabe von Drittanbieter-Sendeplätzen ganz grundsätzlich auf den Prüfstand stellen. Laut "FAZ"-Angaben haben die niedersächsische Landesmedienanstalt und Alexander Kluge schon auf Wickerts Klage geantwortet und beantragt, sie abzuweisen. Sie führen an, Wickerts Klage könne dazu führen, dass die fraglichen Sendestrecken leer blieben. Wickert hat einen anderen Vorschlag. Er will, dass das Gericht die Vergabe der Sendezeit bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aussetzt. Damit die Sendeflächen eben nicht leer blieben, sollen sie zwischenzeitlich je zur Hälfte zwischen der DCTP und Wickerts UWP aufgeteilt werden.
 
Scharfe Kritik an der Lizenz-Vergabe auch von der KEK
 
Die jüngste Entscheidung für Alexander Kluge als Veranstalter der Fensterprogramme ficht Wickert in seiner Klageschrift laut "FAZ" gleich dreifach an: Zunächst einmal geht es um das Vergabeverfahren, dass so eng getaktet gewesen sei, dass neue Anbieter gar keine Chance gehabt hätten und die Niedersächsische Landesmedienanstalt damit den Eindruck erweckt habe, dass "schon davon ausgegangen wurde", dass mal wieder Kluge zum Zuge käme. Desweiteren geht es um die Tatsache, dass Wickert nicht einmal angehört wurde, um seine Pläne zu erklären. Darauf gibt es bereits eine Antwort von der Gegenseite: Eine formelle Anhörung Wickerts sei, so die Landesmedienanstalt laut "FAZ", nicht nötig gewesen, sie hätte wenig Erkenntnisgewinn versprochen und das Verfahren verzögert. Auch ist Wickert enttäuscht von der Tatsache, dass die erneute Entscheidung für Kluge lediglich über eine Pressemitteilung der Kommission zur Ermittlung der Konzentrationskontrolle (KEK) mitgeteilt wurde.

Die KEK genehmigte zwar die Vergabe der Drittanbieter-Lizenz an die DCTP, aber brachte auch sehr deutliche Kritik an der Entscheidung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt an. So teilte die KEK am 9. April diesen Jahres mit: "Unter Vielfaltsaspekten kann es nicht allein darauf ankommen, dass die Leistungen der Drittsendezeitveranstalter in der Vergangenheit zu einem Vielfaltsgewinn geführt haben. Vielmehr muss stets erwogen werden, ob ein Wechsel zu anderen, nicht minder geeigneten Drittveranstaltern für die Zukunft nicht schon an sich als   Vielfaltsgewinn zu beurteilen wäre. Ferner ist zu berücksichtigen, dass DCTP seit 1998 wiederholt – zuletzt für eine weitere Lizenzperiode bis zum Jahr 2013 auch als unabhängige Dritte für das Programm Sat.1 zugelassen wurde. Hinzu kommt, dass DCTP aufgrund einer gemeinsamen Zulassung mit der VOX Film- und Fernseh GmbH & Co. KG einen Teil des bundesweiten Vollprogramms VOX veranstaltet. Angesichts dieser anderweitigen Aktivitäten von DCTP kommt dem Aspekt eines möglichen Anbieterwechsels besonderes Gewicht zu."
 
Kluges Anwalt spricht von "böswilliger Stimmungsmache"
 
Bild: Mediengruppe RTL DeutschlandLetzteres Detail ist der zweite Punkt in Wickerts Klage, der darauf abzielt, dass die DCTP gar kein, wie vom Gesetz gefordert, unanbhängiger Dritter ist. Es gebe vielmehr "eine Vielzahl von Verflechtungen". Und in der Tat: RTL gehört zu Bertelsmann, die wiederum über Gruner + Jahr am Spiegel Verlag beteiligt sind. So ist RTL mittelbar mit 12,5 Prozent an Kluges Produktionsfirma DCTP beteiligt. Darüber hinaus ist Kluge einer der Gesellschafter des RTL-Schwestersenders Vox. Der dritte Punkt, den Wickerts Klage anführt, betrifft die genau definierten Sendezeiten der "Fensterprogramme", die sich exakt an den seit zehn Jahren laufenden DCTP-Magazinen orientierten und neuen Anbietern den Einstieg erschwerten. Wickerts Anwalt spricht von einer "eklatanten Ungleichbehandlung", berichtet die "FAZ". Es erhärte sich der "Verdacht der rechtswidrigen ,Monopolisierung' der Drittfensterlizenzen" zugunsten von Kluges DCTP. Der Vorwurf der Bevorzugung ist laut Kluges Anwalt Paul Leo Giani allerdings "falsch und eine böswillige Stimmungsmache", wie die "FAZ" zitiert.
 
Mit Wickerts Klage dürfte sich aber auch endlich eine längst überfällige Debatte über die Notwendigkeit der Fensterprogramme für Drittanbieter ergeben. In Zeiten von nie gekannter Vielfalt digitaler Spartenkanäle und dem nicht frequenz-technisch begrenzten Internet erscheint es wie ein schlechter Witz, dass man sich um die Meinungsvielfalt sorgt und an dieser Angstregelung der Medienpolitik festhält. Es könnte eng werden für Alexander Kluge, einem Mann, mit dem sich die Senderchefs der Kanäle, auf denen er Sendeplätze bestückt oder beteiligt ist, arrangieren müssen. Das tun sie auch irgendwie - und reden öffentlich so gut wie nötig und so verhalten wie möglich über die Zusammenarbeit mit Kluge. Doch der Unmut über Kluge wächst nicht nur bei Wickert. Nicht wenige dürften ihm für seine Klage dankbar sein und gleichzeitig kein entsprechendes Wort darüber verlieren. Denn klar ist eins: Quotenhits sind die Fensterprogramme nicht, auch wenn gerne Günther Jauchs "Stern TV" zitiert wird. Doch das wäre - eben wegen dem Erfolg - auch ohne Drittanbieterlizenz gesichert. Da dürfte man sich bei Jauchs Produktionsfirma I&U TV keine Sorgen machen müssen. Derzeit sendet man als "Untermieter" der Drittanbieterlizenz von Kluge. Und auch ein Mann wie Ulrich Wickert dürfte mit einem entsprechenden Konzept auch ohne Drittanbieterlizenz einen Sendeplatz finden.