Die Verweigerung der vom ZDF-Intendanten Markus Schächter vorgeschlagenen Vertragsverlängerung für Chefredakteur Nikolaus Brender durch die CDU/CSU-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat wird wohl noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen - zumindest wenn die Grünen genug Mitstreiter im Bundestag finden.
Die Grünen bezeichneten die Vorgänge um Brender als Anschlag auf die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. "Ob der ZDF-Staatsvertrag, der dieses Vorgehen im Fall Brender überhaupt ermöglicht hat, noch dem Verfassungsauftrag entspricht, sollte jetzt dringend mit Hilfe des Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden", teilt die Bundestagsfraktion der Grünen mit. Allerdings können die Grünen das nicht allein entscheiden: Einer entsprechenden Klage müssen ein Drittel der Bundestagsabgeordneten zustimmen. "Wir fordern daher alle Abgeordneten des Bundestages, denen die Unabhängigkeit der Medien wichtig ist, auf, sich unserer Initiative anzuschließen". Von den Bundesländern - auch den SPD-geführten -, die ebenfalls Klage einreichen könnten, will offenbar keiner diesen Schritt gehen, der auch deren eigene Macht im ZDF beschneiden könnte.
Unterdessen wandten sich auch die 17 deutschen Erstunterzeichner der Europäischen Charta für Pressefreiheit, zu denen Journalisten von "Stern", "Spiegel", "Zeit", "FAZ", "Die Welt", "Frankfurter Rundschau", "Geo" und "FTD", sowie Repräsentanten der Verlagshäuser Axel Springer und Gruner + Jahr, Reporter ohne Grenzen und des Deutschen Journalisten- Verbandes gehören, die EU-Kommission und den Europarat eingeschaltet.
In gleichlautenden Schreiben nach Brüssel und Straßburg bezeichnete Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der "Stern"-Chefredaktion und Initiator der Charta, die Entscheidung im Namen der Gruppe als "flagranten Verstoß" gegen Artikel 2 der Charta. Darin heißt es: "Unabhängiger Journalismus in allen Medien ist frei von Verfolgung und Repressalien, ohne politische oder regulierende Eingriffe des Staates zu garantieren." Für die "politisch organisierte Mehrheit" im ZDF-Verwaltungsrat sei Brender offenbar "zu unabhängig, unbeugsam gegenüber Versuchen politischer Einflussnahme". EU-Kommission und Europarat, bei denen die Charta offiziell notifiziert ist, wurden aufgerufen, "mit ganzer Kraft dafür einzutreten, dass die Europäische Charta für Pressefreiheit in allen Mitgliedstaaten, auch in der Bundesrepublik Deutschland, vorbehaltlos respektiert wird".