Tine Wittler präsentiert Unterm HammerEs mehren sich die Fälle, in denen die Fernsehmacher Programme als echt verkaufen, der Sendung stilistisch den Doku-Stempel aufdrücken und nur wenige Tage nach der Sendung Schummel-Vorwürfe laut werden. Das ist nichts Neues, beim Fernsehen ist seit jeher nichts so wie es scheint, mag mancher sagen. Doch macht das die Situation besser? Wohl kaum. Vor allem im Bereich der dokumentarischen Unterhaltung scheint es dem Zuschauer zwar auf den ersten Blick gar nicht so wichtig zu sein, ob eine Geschichte echt ist oder erfunden – das zeigt der erfolgreiche Nachmittag bei RTL. Wichtig ist allerdings, dass der Zuschauer nicht für dumm verkauft wird, und klar zu erkennen ist, ob ein Beitrag authentisch oder inszeniert ist.
 
Vor allem RTL geriet in den vergangenen Monaten immer wieder in diesem Zusammenhang in die Kritik. Bei "Deutschland sucht den Superstar" wurde ein Kandidat in der Sendung von Dieter Bohlen verhöhnt – allerdings hat diese Szene so nicht stattgefunden. Bei "Punkt 12" wurde bei einer Millionärin auf Partnersuche gemogelt und erst kürzlich wurde die Tine Wittler-Sendung "Unterm Hammer" wegen Schummeleien kurzfristig abgesetzt. Auch in der Diskussion um "Erwachsen auf Probe" ernteten die Macher während einer Aussprache mit den Kritikern Unverständnis für Überzeugungen wie die, dass eine in der Sendung eingeblendete Uhrzeit nicht den Tatsachen entsprechen müsse – eine gefühlte Zeit sei im Dokumentarischen das Mittel der Wahl. Man mache doch schließlich Fernsehen, da komme es nicht so drauf an.
 

 
LfM-Direktor Norbert SchneiderNorbert Schneider, scheidender Chef der Landesanstalt für Medien NRW, sieht allmählich Bewegung im Gebaren von RTL. In einem Interview mit den Regionalzeitungen der WAZ-Gruppe sprach Schneider auch über das Desaster mit der Sendung "Unterm Hammer", die der Sender nach Schummelvorwürfen kurzerhand aus dem Programm nahm. "Ich finde es interessant, dass RTL solche Fehler inzwischen ohne großes Dementi abstellt, das war nicht immer so", sagte Schneider im Interview.

Allerdings hatte RTL in der Diskussion um "Unterm Hammer" keine Fehler eingestanden, sondern die Sendung wegen "offener Fragen" aus dem Programm genommen. Für Schneider indes ist klar, worauf das Einlenken des Senders zurückzuführen ist: "Die Debatten haben Wirkung gezeigt". Dies ist vermutlich aber nur ein Aspekt in einem Bündel von Ursachen. Von großer Bedeutung ist mit Sicherheit auch die wachsende Transparenz bei der Erstellung von Fernsehinhalten: Durch das Internet als Kommunikationsmedium lassen sich Schummeleien der Sender schneller und aufmerksamkeitsstärker aufdecken als noch vor einigen Jahren.

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Ein wichtiger Faktor: Die meisten Fernsehprogramme sind mittlerweile auf Videoportalen der Sender und Plattformen wie Youtube verfügbar und lassen sie sich nachträglich anschauen – teilweise auch Wochen nach der Ausstrahlung. Das Schlagwort "Das versendet sich" gilt längst nicht mehr. Längst besteht der Weg nicht  mehr ausschließlich darin, auf Verdacht alle möglicherweise heiklen Sendungen mitzuschneiden. Manches Mal ergibt sich ein Verdacht auch erst im Nachhinein – und jeder kann ihm nachgehen.

Denn es gibt noch eine weitere Entwicklung im Netz, die die Fernsehmacher allein aus Gründen des Selbstschutzes zu noch mehr Sorgfalt veranlassen sollte, als ohnehin schon gefordert: Der Aufwand, sich in einer Debatte zu Wort zu melden, wird für alle Zuschauer – und nicht nur eine Hand voll Medienkritiker – immer geringer. Es muss noch nicht einmal das umfängliche Watchblog sein, das eine Debatte in Gang setzt. Oft reicht auch schon eine aus einem ersten Impuls heraus geschriebene E-Mail an die richtigen Stellen, um Schummlern auf die Schliche zu kommen. Auch andersrum funktioniert's: Durch Suchmaschinen und seit nicht allzu langer Zeit auch soziale Netzwerke sind die Protagonisten der Sendungen ohenhin mit nur wenigen Klicks zu finden und können angesprochen werden.

Zum Umstand der TV-Schummeleien selbst sagt Schneider: "Jede Art von Fernsehen möchte uns über den kleinen Unterschied hinwegtäuschen, dass das, was Fernsehen als Wirklichkeit behauptet, eben nicht die Wirklichkeit ist. Das geschieht offen in Fernsehspielen und  verdeckt bis zur Täuschung in Real-Dokus". Das Problem, das mancher Fernsehmacher offenbar nicht in jedem Moment vor Augen hat: Bei klar gekennzeichneten erdachten Handlungen, selbst in der so genannten Scripted Reality, ist der Bewertungsmaßstab der einer Unterhaltungssendung. Wird ein Ereignis als echt verkauft, so muss man sich nunmal an journalistischen Maßstäben messen lassen.