
Grob zusammengefasst lautet die Erkenntnis des Gutachtens: Presseähnlich ist nur, was ein gedrucktes Presseprodukt nahezu eins zu eins im Internet wiedergibt. Allein schon das Setzen von Links lässt aus einem Presseangebot ein Internetangebot werden. Demnach sind die Webangebote des Rundfunks nicht der Presse, sondern - so die Argumentation - die Angebote der Presse im Netz dem Rundfunk zuzuordnen. Auch innerhalb der ARD-Gremien dürfte klar gewesen sein, dass dieses Gutachten nicht nur für den reflexhaften Widerspruch der Verleger sorgen wird, sondern auch die Argumentation so manche Angriffsfläche bietet. Eine derbe Watsche bekam die ARD am gestrigen Mittwoch von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Deren Medien-Redakteur Michael Hanfeld kommentierte das Gutachten recht deftig - und begab sich dabei auf äußerst dünnes Eis, von dem aus er ARD und ZDF scharf angriff.
Diese Darstellung des Gutachtens der Aufsichtsgremien nun ruft Peter Boudgoust auf den Plan. In einem offenen Brief wandte sich der ARD-Vorsitzende, der bei öffentlichen Äußerungen nicht gerade für seine Diplomatie bekannt ist, direkt an "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher. "Ich schreibe Sie zum ersten Mal persönlich an, denn mit dem Kommentar von Herrn Hanfeld ist meines Erachtens eine Grenze überschritten", teilt Boudgoust mit.
Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Staatsjournalismus bezeichnete Boudgoust als "geschichtsvergessen und maßlos". Der SWR-Intendant und ARD-Vorsitzende empfindet es als "unverhältnismäßig und einer seriösen Zeitung unwürdig", wenn die Zeitung vom "Ende der freien Presse" und einem "totalen Machtanspruch" von ARD und ZDF spricht, "nur weil ein unabhängiges Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Hans-Jürgen Papier, nicht den Interessen der Verlage zu entsprechen scheint".
Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte "FAZ"-Redakteur Hanfeld zu dem offenen Brief Boudgousts: "Wenn der Vorsitzende der ARD an einen Herausgeber der 'FAZ', meinen Chef, einen offenen Brief schreibt, in dem er mich, den Redakteur, angreift, dann verrät mir das viel über den Byzantinismus und das hierarchische Denken, das in den obersten Etagen der ARD herrscht."