"Aus persönlichen Gründen" scheide aus dem Vorstand aus, der Wechsel in den Aufsichtsrat erfolge "freundschaftlich und einvernehmlich". MIt diesen Worten kündigte Bertelsmann am Montag überraschend an, dass Chef Hartmut Ostrowski bereits zum Ende des Jahres seinen derzeitigen Posten aufgeben wird - ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Normalerweise wäre es der Zeitpunkt gewesen, zu dem eine Vertragsverlängerung mit Ostrowski angestanden hätte. Doch es sollte anders kommen.
Verschiedene Zeitungen spekulieren nun am Tag nach der Abschiedsankündigung über die Gründe, die hinter dem Ausscheiden des erst 53-Jährigen stecken. Er habe nicht mehr die Kraft, um Bertelsmann noch länger zu führen, soll Ostrowski gegenüber Vertrauten gesagt haben, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Zudem fühle er sich nicht mehr vollbelastbar - Aussagen, die auf eine mögliche Burn-Out-Gefährdung hindeuten. Ein Begriff, der in diesen Tagen oft diskutiert wurde: Nach dem überraschenden Rücktritt Ralf Rangnicks vom Trainer-Posten beim FC Schalke 04 war Burn-Out sogar Thema in so mancher Talkshow.
Die "Neue Westfälische" vermutet ähnliche Gründe: "Möglicherweise ist Ostrowski nun in eine persönliche Krise gestürzt. Gesprächspartner berichten, er sei zuletzt bei einigen halb-öffentlichen Auftritten ungewohnt fahrig und unkonzentriert gewesen", schreibt die Zeitung. Mitarbeitern habe er gestanden, "er fühle sich ausgebrannt und wisse nicht, ob er ausreichend Kraft habe für weitere fünf Jahre an der Spitze des Konzerns". Überraschend ist das allemal: Noch bei einer Telefonkonferenz, so erinnert sich die "FAZ", habe Ostrowski öffentlich die Erwartung einer Vertragsverlängerung geäußert - er gehe davon aus, bis zu seinen 60. Lebensjahr, und damit der im Konzern üblichen Grenze, Vorstand von Bertelsmann zu bleiben.
Keine zwei Monate später kommt nun alles anders: Ostrowski geht, Thomas Rabe übernimmt. Der bisherige Finanzvorstand, der diese Funktion zuvor bereits einige Jahre lang bei der RTL Group in Luxemburg ausübte, kennt sich bei Bertelsmann aus. Rabe wird ein gutes Verhältnis zu Liz Mohn nachgesagt, während die Verbindung zwischen Ostrowski und der mächtigsten Frau bei Bertelsmann nicht immer ohne Probleme gewesen sei. "Auf Geheiß der Eigentümerfamilie Mohn mobilisierte er 4,5 Milliarden Euro für den Rückkauf eines Viertels der Bertelsmann-Aktien", schreibt die "FAZ" in ihrer Ausgabe am Dienstag über den neuen starken Mann Rabe.
Dies habe Bertelsmann zwar "über Jahre stranguliert", doch bei Liz Mohn habe er seither "einen Stein im Brett". Aufsichtsratsrat Gunter Thielen erinnerte an die erfolgreichen Jahre unter Ostrowski, der das Unternehmen "in Zeiten großer wirtschaftlicher Unsicherheit durch die Krise geführt" habe. "Die Verschuldung konnte in seiner Amtszeit auf das Zielniveau zurückgeführt werden“, so Thielen, der sich zugleich hinter Rabe stellte. "Zusammen mit Thomas Rabe werden wir eine klare Vorstellung zur strategischen Weiterentwicklung der Bertelsmann AG entwickeln." Eine Weiterentwicklung, die nun also ohne Hartmut Ostrowski an der Spitze vollzogen werden soll.
Und doch überrascht die Geschwindigkeit, in der der Wechsel nun vollzogen wird. Die "Neue Westfälische" gibt auch einen möglicherweise pragmatischen Grund für die fast schon überstürzt wirkende Entscheidung: Metro. Deren Chef Eckhard Cordes hatte wenige Tage zuvor das Handtuch geworfen - "und weil Rabe schon einmal auf dem Sprung zum Metro-Mutterkonzern Haniel war, befürchteten die Gütersloher vielleicht, diesmal werde Rabe endgültig gehen", mutmaßt das Blatt. Die Spekulationen um den "Paukenschlag bei Bertelsmann" ("Welt") kennen keine Grenzen, doch eines ist gewiss: Thomas Rabe hat sein Ziel erreicht.