Eins gleich vorweg: Der neue ARD-Star Thomas Gottschalk war nicht vor Ort im Münchener HVB-Forum, doch das verwunderte einen Tag vor seinem großen Abschied bei "Wetten, dass..?" weniger. Die Abwesenheit zweier anderer ARD-Gesichter überraschte mehr: Herr Jauch und Herr Beckmann waren nicht an die Isar gereist. Präsent waren sie trotzdem, nicht zuletzt angesichts des Beckmann-Interviews in der "FAZ". Doch die Talkshow-Schiene des Ersten war nur eines der zahlreichen ARD-internen Themen, die den Small Talk des Abends dominierten und damit die inzwischen gleichermaßen müßige wie lästige Raterei über die "Wetten, dass..?"-Nachfolge weitgehend im Keim erstickte. Denn beispielsweise mit dem mäßig erfolgreichen neuen Vorabend-Programm und der Eskalation bei der Filmtochter Degeto gab es genügend Stoff für die Unterhaltungen an den Tischen.

Zuvor jedoch ließ Das Erste-Programmdirektor Volker Herres das vergangene Jahr Revue passieren und wählte dazu eine Parallele zu Loriots morbidem Advents-Gedicht, das nach romantischem Anfang vom Mord des Försters durch seine Gattin erzählt. Einen ähnlichen Bogen spann Herres. Er erinnerte an die schönen Märchen dieses Jahres. Die royale Hochzeit in London beispielsweise. "Im Klein-Klein deutscher Medienpolitik geriet dies zum Riesenzoff über Parallelübertragungen. Das Publikum aber war dankbar", bilanzierte er. Dann der Eurovision Song Contest und die Frauen-Fußball-WM im eigenen Lande. Herres. "Bis zu 17 Millionen Zuschauer verfolgten diese Spielübertragungen. Für mich hat seitdem das Wort Frauenquote einen so unglaublich schönen Klang bekommen, ich muss es völlig neu interpretieren."

Doch wie bei Loriots Advents-Gedicht, bei dem die Brutalität nur einen Zeilensprung entfernt sei, so sei es auch im Fernsehen. Das könne ein großer Verführer sein. "Es kann Illusionen, es kann Träume und Märchen wahr machen. Aber es scheut auch die raue Wirklichkeit nicht", so der Programmdirektor. Rebellionen, Fukushima, Schulden- und Eurokrise. All das habe man ausführlich journalistisch aufbereitet. Und Themen wie  Abhängigkeit, Gewalt, Vertuschung, Verbrechen, Mobbing, Missbrauch, Züchtigung habe man in der Fiktion aufgegriffen. Auch Anstand, Menschlichkeit und Zivilcourage seien Themen gewesen. "Denken Sie an "Das weiße Band", "Sie hat es verdient", "Es ist nicht vorbei", "Homevideo" oder die neuen "Tatorte" und "Polizeirufe", den Zweiteiler "Laconia" oder "Der Mann mit dem Fagott", übrigens eine Degeto-Produktion."

Bei dem Thema fasste sich Herres angesichts der Feierstimmung allerdings kurz: "Zu der sage ich angesichts der Aufregung in der jüngsten Zeit heute nur so viel: Wir werden zügig alles daran setzen, dass unsere Filmbeschaffungstochter der Produzentenlandschaft auch künftig ein verlässlicher Partner sein wird." Und damit endete Herres' Rückblick auf das Jahr 2011. Der gemütliche Teil des Abends wurde von ihm dann mit morbidem Humor eingeleitet: "Nochmal zurück zu Loriots Advents-Gedicht. Das endet damit, dass die Försterin ihren erlegten Gatten nach Waidmanns Sitte filetiert und in festtägliche Bratenstücke zerlegt, die sie, in Geschenkpapier verpackt, Knecht Ruprecht als Gabe für die Hungernden mit auf den Weg gibt. Ich darf Sie jetzt alle zum vorweihnachtlichen Essen zu Tisch bitten. Es gibt Tranche vom Rinderrücken. Heißt es zumindest."