Seit wenigen Monaten hat Nicolas Paalzow das Sagen bei Sat.1 - und sich damit gewiss eine der schwierigsten Aufgaben ausgesucht, die das deutsche Fernsehen derzeit zu bieten hat. Zuletzt reichte es nicht mal mehr für zweistellige Marktanteile in der Zielgruppe. "Wir brauchen einen Turnaround, 2013 wird das Jahr der Transformation", sagte Paalzow nun in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Alle Zeichen stehen auf Wachstum. Wir arbeiten intensiv am Tages- und am Vorabendprogramm und setzen neue Schwerpunkte am Hauptabend." Generell wolle er Sat.1 wieder etwas jünger und weiblicher positionieren und bewährte Programmsäulen stärken.
Trotz der vielen Wechsel auf der Chefetage habe der Sender nämlich nach wie vor Grundkonstanten. "Wir sind der einzige Privatsender, der in größerem Stil in deutsche Fiktion investiert. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal", so Paalzow. Doch das wussten vor ihm auch schon andere Geschäftsführer - die dann trotzdem scheiterten. Im Serien-Bereich will Paalzow weiter investieren. "Mit diesem Schwerpunkt setzen wir uns klar von der Konkurrenz ab." Dass kürzlich drei neue Serien floppten, führt der Sat.1-Chef auch darauf zurück, dass man Erfolgsfaktoren von "Der letzte Bulle" und "Danni Lowinski" nicht berücksichtigt habe.
"Beide Serien bieten phantastische Identifikationsfiguren mit kongenial besetzten Schauspielern. Die Identität zwischen der Rolle und den Schauspielern ist bei Annette Frier und Henning Baum sehr, sehr hoch. Das ist uns bei den Serien im vergangenen Herbst nicht so gut gelungen." Dort habe womöglich der "Magic Touch" gefehlt. Doch das Jammern hilft nun wenig, viel mehr steht mit "Patchwork Family" nun gleich die nächste Bewährungsprobe an, diesmal am Vorabend. "Als neue Telenovela würde ich diese Art Serie zwar nicht bezeichnen, aber es ist auf jeden Fall gelungen, Geschichten auf eine neue Art zu erzählen", sagte Paalzow der "FAZ". Damit habe man im Falle eines Erfolgs einen neuen Programm-Anker am Vorabend.
Paalzow: "'Patchwork Family' besticht durch einen neuen Serien-Look, durch Darsteller mit improvisierten Rollen, die nicht nach Dialogbuch spielen. Die Rolle wird ihnen quasi auf den Leib geschrieben. Das ist sehr authentisch." Zudem könne die Serie den Ruf, den Reality-Fernsehen habe, "auch positiv verändern", erklärte der Senderchef, der jedoch auch abseits der Fiction angreifen will. Mit zwei neue Hauptabende, an denen Reality und Factual Entertainment eine Rolle spielen, soll das gelingen. Auch Julia Leischiks bislang am Vorabend gesendete Reihe "Bitte melde dich" soll dort seinen Angaben zufolge laufen.
"Und dann brauchen wir auch wieder mehr schlagkräftige Shows – neben 'The Voice – Kids' in diesem Frühjahr und 'The Voice of Germany' im Herbst werden wir dieses Jahr noch zwei weitere große Showreihen starten. Es gibt auf dem internationalen Markt im Augenblick sehr interessante Konzepte", erklärte Paalzow in der "FAZ". Am Geld alleine liegen die derzeitigen Probleme des Senders aber offenbar nicht. "Ich bekomme praktisch unbegrenzt Mittel", scherzte Paalzow in dem Interview. "Im Ernst: Sat.1 hat im finanziellen Bereich sehr gute Handlungsspielräume. Es kommt darauf an, in die richtigen Programme zu investieren und die richtige Mischung zu finden."