Seit wenigen Wochen ist der einstige "Bild"-Mann Jörg Quoos neuer Chefredakteur beim "Focus". In einem Interview mit dem Branchenmagazin "Horizont" hat er angekündigt, künftig bei entsprechenden Themen auch längere Lesestrecken ins Heft nehmen zu wollen. "Wenn man den Anspruch hat, Hintergrund zu liefern, muss man den Geschichten mehr Raum zur Entfaltung bieten. Die Leser wissen das zu schätzen. Wir haben Mut zur längeren Strecke." Als "Anti-Spiegel", wie es Wolfram Weimer einst vorhatte, will Quoos den "Focus" jedoch nicht positionieren. "Wir würden uns doch schrecklich einengen, wenn wir immer nur das Gegenteil von Mitbewerbern machen wollten. Die Redaktion ist so selbstbewusst, dass sie ihre eigenen Standards setzen kann."
Dennoch soll nicht jedes Thema einen Platz in dem Burda-Magazin finden. "Natürlich will jeder Chefredakteur Themen in seinem Blatt haben, über die ganz Deutschland spricht. Nur darf das nicht zur Marotte werden", so Quoos im "Horizont"-Interview. "Ganz Deutschland redet beispielsweise über das Dschungelcamp, aber ein Cover mit dem Dschungelcamp ginge bei mir nicht in den Druck." Auf Nutzwertthemen will Quoos jedoch auch in Zukunft nicht verzichten. "Aber ich werde die Dosis gelegentlich ändern und mehr politische Themen anpacken. Wenn in der Politik Wichtiges passiert, muss das auch auf den Titel." Politik sei zwar nicht immer ein Verkaufsargument, werde aber dennoch von den Lesern erwartet.
Zufrieden zeigte sich Quoos mit dem Sonderteil zur Niedersachen-Wahl, der innerhalb weniger Stunden am Wahlabend entstanden sei. Angesichts des Wahlergebnisses sei ihm klar gewesen, dass der 'Focus' ohne das Wahlergebnis und ohne politische Analysen eine Woche lang "einfach zu alt aussehen würde". Quoos: "Der 'Focus' war schnell aktualisiert im Markt und ich habe gespürt: Die Redaktion ist hellwach und kann sehr gut auch Tageszeitungstempo." Die ständige Kritik an den Nutzwertthemen des "Focus" kann der neue Chefredakteur übrigens nicht nachvollziehen. Er sieht sie vielmehr als "DNA" des "Focus" und störe sich schon lange an der Verächtlichmachung solcher Themen. "Es sind oft Medienjournalisten, die sagen: 'Ach, der 'Focus' mit seinen Nutzwertkram.'" Wenn Ratgeber-Themen jedoch gut gemacht seien, mache ein Magazin wichtige Punkte bei seinen Lesern.
Zudem täten gut recherchierte Nutzwertthemen auch manchem Mitbewerber gut, so Quoos im "Horizont". Eine Geschichte wie jene im "Stern" über Rainer Brüderle hätte er jedoch nicht gedruckt - "auch zum Schutz der Kollegin". Quoos: "Der Vorfall war über ein Jahr alt und ich habe bis heute keine nachvollziehbare Begründung gelesen, warum man so einen massiven Vorwurf erst dann herauskramen muss, wenn jemand in ein neues Amt wechselt." Und wie geht es nun mit dem "Focus" weiter? Nach dem Aus von "Focus Schule" will Jörg Quoos einen neuen Ableger nicht ausschließen. "Aber am Ende muss es sich auch rechnen." Streit mit den Herausgebern Helmut Markwort und Uli Baur gab es bislang übrigens nicht. "Beide mischen sich bislang minimal ein und stehen mir - wenn ich Rat suche - maximal zur Seite. Was will man mehr?"