Zattoo leistet mit seinem Angebot, das normale lineare TV-Programm als Stream zur Verfügung zu stellen, in Deutschland seit längerem Pionierarbeit - und die gestaltet sich offenbar mühsam. Besonders die beiden großen Privatsenderketten ProSiebenSat.1 und Mediengruppe RTL Deutschland sperrten sich lange gegen eine Kooperation, was sich zumindest im Falle von RTL erst jetzt ändert. Zahlreiche Zusatz-Dienste wie etwa die Möglichkeit, zurückzuspulen oder bereits vergangene Sendungen einfach nochmal anzusehen, wie Zattoo sie etwa im Heimatmarkt Schweiz anbietet, sind in Deutschland bislang nicht verfügbar. Doch nun kommt womöglich durch einen weiteren Anbieter neue Bewegung in den Markt.

Denn diese Funktionen sollen beim neuen Konkurrenten Magine, der nach dem Start in Schweden in diesem Sommer nach Deutschland kommt, mit drin sein. Schon der Ort, an dem Magine sein Produkt am Mittwoch am Rande der ANGA COM vorstellte, machte dabei eines der Pfunde deutlich, mit denen man wuchern will: Michael Turner, Head of Content des Unternehmens, präsentierte die Anwendung auf einem iPad während einer Seilbahn-Fahrt über den Rhein. Die Botschaft: Mit uns wird der TV-Empfang von überall möglich. Ob über ein Tablet oder ein Smartphone, ob mit iOs oder Android. Bei Zattoo war der Empfang zumindest in der Vergangenheit nur über eine W-LAN-Verbindung möglich, Magine soll auch übers Handynetz funktionieren. Über den klassichen Computer ist Magine natürlich ebenso abrufbar, wie auch über den Fernseher. Über ein recht einfaches Verfahren ist es möglich, die App mit einem Smart-TV-Fernseher zu koppeln und auch über die App zu steuern. Magine will aber auch Apps für den Fernseher direkt anbieten, die normal per Fernbedienung zu steuern sind.

Und dann verspricht Magine auch noch all die komfortablen Zusatzfunktionen, die Zattoo in Deutschland bislang fehlen. Man kann innerhalb einer laufenden Sendung problemlos an eine beliebige Stelle vor- und zurückspulen, man kann über den grafischen EPG zurückblättern und Sendungen aus der Vergangenheit ansehen, ohne dass man diese vorher wie bei einem Festplattenrekorder programmiert haben müsste. In der Regel reicht das Archiv in Schweden sieben Tage zurück, sofern die Sender zustimmen und über die Rechte verfügen, sind aber auch bis zu 28 Tage möglich.

Und letzteres wird auch die eigentlich spannende Frage: Stimmen die Sender diesem Angebot zu. Man darf wohl annehmen, dass Zattoo diese Services ebenfalls gerne auch in Deutschland anbieten würde, aufgrund der im Vergleich zur Schweiz schwierigeren Rechtelage das bislang aber nicht kann. Es wird interessant, welche Partner Magine zum Start präsentieren wird. Michael Turner wollte noch keine Namen nennen, es gebe aber bereits Verträge und die Verhandlungen würden allgemein aussichtsreich verlaufen.

"Magine - der beste Freund der Fernsehsender" lautet eine der Überschriften in der Präsentation des Unternehmens. "Magine unterbricht die Wertschöpfungskette der TV-Industrie nicht, sondern bietet nur eine neue Art der Verbreitung an", heißt es dort. Man biete eine zusätzliche Möglichkeit an, die vorhandenen Live-Senderechte zu monetarisieren. Und man schaffe einen Mehrwert, indem man das Auffinden von Inhalten erleichtere - so ist auch eine umfangreiche Suchfunktion über die verfügbaren Inhalte aller Sender und eine Sortierung nach Genres verfügbar. Dadurch könne man den Sendern helfen, ihre Content-Bibliotheken besser zu nutzen.

Wie zugänglich die Sender in Deutschland für diese Argumente sind, wird sich zeigen. Derzeit ist man auf Überzeugungs-Tour - übrigens nicht nur bei deutschen Sendern, sondern auch bei den Studios in Hollywood. Michael Werner, Chairman von Magine, gibt sich optimistisch: "Vor zwei Monaten lief der Service in unserem Heimatmarkt Schweden an und hat sich dort als Riesenerfolg erwiesen. Deutschland ist für uns ein außerordentlich wichtiger Markt, und wir freuen uns darauf, mit den bedeutendsten Content-Anbietern des Landes zusammenzuarbeiten."

Einer der Kritikpunkte am kostenfreien Zattoo-Angebote fällt bei Magine weg: Es wird grundsätzlich keine Werbung eingeblendet. Magine ist in der Basis-Version für einige öffentlich-rechtliche Sender kostenfrei, zur Nutzung privater Sender wird ein monatlicher Betrag fällig, für Pay-TV-Sender darüber hinaus noch etwas mehr. Der Höchstpreis wird sich voraussichtlich in einer Region um 13 Euro bewegen. Zunächst einmal wird es aber einen Betatest geben. Anmelden dafür kann man sich ab sofort unter magine.com, starten soll er noch in diesem Monat. Ernst wird es dann im Herbst, wenn der eigentliche kommerzielle Start in Deutschland geplant ist.