Die wirtschaftlichen Erfolge der Ära Anke Schäferkordt beim Sender RTL sind unbestritten, die Reichweiten-Rekorde der Jahre 2010 und 2011 ebenso. Und doch, gerade in zunehmend schwierigen Zeiten, machte sie sich mit ihrem Führungsstil im Haus nicht nur Freunde. Das mag kein elementares Kriterium für Erfolg sein, aber Raum für Kreativität und der Mut zu Experimenten lässt sich nicht unbegrenzt optimieren. Mit der Übergabe der Programmverantwortung an Frank Hoffmann gab es intern wie auch extern bei manchem Produzent die Hoffnung auf einen anderen Wind, der durch den Sender wehen möge. Und in der Tat: Hoffmann ist ein Zuhörer - eine Qualität die unter Führungskräften leider allzu oft negativ ausgelegt wird. Doch in einer Zeit, in der RTL (wie so mancher Wettbewerber) nach langer Phase der Minimal-Optimierung bestehender Programme dringend neue Ideen braucht, ist das eine gute Voraussetzung.



Zusammen mit der geäußerten Erkenntnis, dass nicht jede neue Programmidee gleich 20 Prozent Marktanteil holen könne, macht es den Weg frei für ideengetriebenes Fernsehen. In seinem ersten Interview seit seinem Wechsel von VOX zu RTL lässt der Programmgeschäftsführer im Gespräch mit Hans Hoff durchblicken: Die Probleme im Sender sind erkannt und klar benannt. Während man erst im Juli bei der Programmpräsentation verraten will, wie man ihnen konkret begegnen will, sagt das Interview schon einmal viel aus über Kurs und Stil von Frank Hoffmann, wenn man ihn nicht schon kennt. Man spürt weniger reflex-artige Konter als bei Vorgängerin Anke Schäferkordt. Klar, pflichtbewusst verteidigt er sich und seine Kollegen: "Mit unserem Programm sind wir klar die Nummer eins unter den Privaten", aber setzt gleich nach: "Dennoch läuft es hier nicht ganz so, wie wir uns das erhofft hatten."

In einem Gespräch mit den Hans Hoff eigenen, kurzen Stichwort-Fragen, die u.a. Stefan Raab schon mal völlig aus der Fassung brachten, lässt sich Hoffmann nicht aus der Reserve locken, lässt sogar einen flapsigen Einstieg drin und bringt gleich mehrere der von ihm so geliebten bildlichen Beispiele unter. "Die Fernsehlandschaft hat sich durch die Digitalisierung verändert. Früher wurde sie geprägt durch wenige Hochhäuser. Mittlerweile sind viele Bungalows dazugekommen. Und wir müssen ehrlich sein: Das Hochhaus RTL wurde um das Penthaus gekürzt. Das ist weg", ist so eine Antwort in deren zweiten Hälfte Hoffmann es sich dann aber doch etwas einfach macht, wenn er die stark gesunkenen Reichweiten von RTL mit den Worten "Ob wir nun 16 Prozent Marktanteil oder 18 Prozent hatten, wir konnten diese zusätzlichen zwei Prozentpunkte am Werbemarkt nicht ummünzen" beschönigt.

Aber dann fallen auch so Sätze wie "Das sind nicht die Marktanteile, die wir uns wünschen" zu den aktuellen Marktanteilen von RTL oder "Wenn wir abends fernsehen und mit dem Programm nicht zufrieden sind, dann hat eine schwache Quote am nächsten Tag nichts mit Fragmentierung zu tun." So offen, ehrlich und bildreich - egal ob in Hochhäusern, Penthäusern, Pferden oder Mutanten gesprochen - wurde von RTL lange nicht Bilanz gezogen. Das kann Hoffmann: Schon zu VOX-Zeiten fiel es ihm nicht schwer als Flop zu bezeichnen was gefloppt ist. Das wurde ihm stets hoch angerechnet. Auf dieser Grundlage wird laut seiner Aussage bei RTL so viel entwickelt wie noch nie. "Wahres Unternehmertum lebt von der Innovation, wenngleich ich gegen ein paar quotenträchtige Mutanten auch nichts einzuwenden hätte", sagt der RTL-Programmgeschäftsführer.

Und er formuliert eine Marschrichtung, die unter Anke Schäferkordt für viele Mitarbeiter so zuletzt nicht vorstellbar gewesen ist: "Wenn wir immer nur Angst haben, mit dem nächsten Programmstart Schiffbruch zu erleiden, dann wird nicht viel Neues entstehen. Wenn es keine ausländischen Vorbilder gibt, müssen wir den Mut haben, eigene Ideen mit den notwendigen Budgets auszustatten, wenngleich es schon von Vorteil wäre, wenn wir nicht die teuersten Pferde zu Tode reiten. Am besten gar keine." Schon wieder diese bildliche Sprache. Hoffmann ist eben Fernsehmann. Was er und sein Team sich ausgedacht haben, will der Sender am 10. Juli in Hamburg präsentieren. Aber eins lässt er durchblicken: Radikal ändern will er nichts:  "Ruckartige Veränderungen sind Gift für ein Programm. Ein Sender lebt von Sehgewohnheiten. Es ist ein Riesenvorteil von RTL, dass wir so viele Sehgewohnheiten über Jahre geschaffen haben."