Nur zweieinhalb Jahre ist es her, dass die beiden großen deutschen Mediengeschäfte von Bertelsmann von zwei Frauen geführt wurden: An der Spitze von RTL Group und Mediengruppe RTL stand Anke Schäferkordt, Julia Jäkel leitete Gruner + Jahr. Beide wurden inzwischen durch Männer ersetzt: Bertelsmann-Boss Thomas Rabe hat die Leitung der RTL Group gleich selbst übernommen, die Mediengruppe RTL wird von Bernd Reichart geführt, an der Spitze von Gruner + Jahr steht künftig Stephan Schäfer, der auch noch zahlreiche weitere Geschäftsführer-Posten innehat.

Wie passt das zusammen mit den selbst gesteckten Zielen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit? Bertelsmann schreibt auf seiner Website: "Bei Bertelsmann ist mehr als die Hälfte der Belegschaft weiblich. Wir wollen bis 2021 über alle Unternehmensbereiche hinweg den Anteil von Frauen im Top- und Senior-Management auf ein Drittel steigern und haben dazu auf Firmenebene vielfältige Maßnahmen angestoßen." An diesem Ziel - also ein Drittel Frauen im Top- und Senior-Management - halte man für den Gesamtkonzern bis Ende 2021 auch weiterhin fest, heißt es auf DWDL.de-Anfrage.

Beim Bertelsmann-Vorstand selbst liegt der Frauenanteil derzeit allerdings bei 0 Prozent. Neben Thomas Rabe gehören dem mit Markus Dohle, Rolf Hellermann und Immanuel Hermreck noch drei weitere Männer an. Beim "Group Management Committee", das den Vorstand beraten soll, fiel man nun gerade aber sogar wieder unter die Zielmarke: Durch den Abgang von Jäkel und das Nachrücken von Stephan Schäfer sinkt der Frauen-Anteil hier von 35 auf 29 Prozent. Fünf Frauen stehen derzeit somit zwölf Männer gegenüber. Immerhin: Das - nicht allzu ambitionierte - Ziel von einem Drittel bis zum Jahresende scheint hier zumindest erreichbar.

Bei Gruner + Jahr sinkt der Frauenanteil des Top-Managements durch den Abgang von Julia Jäkel von 33 auf 0 Prozent, allerdings wird zugleich das Executive Committee neu aufgestellt. Statt wie bislang drei Männer gehören diesem künftig drei Frauen und ein Mann an - bezieht man das mit ein, dann steigt hier der Frauen-Anteil also tatsächlich an. Beim TV-Geschäft ist man in Sachen Frauenquote hingegen in den oberen Management-Etagen bislang richtig schwach unterwegs.

Frauen-Anteil des Management Committees der RTL Group aktuell: 0 Prozent. Frauen-Anteil des Board of Directors der RTL Group aktuell: 0 Prozent (Executive) bzw. 15 Prozent (inkl. Non-Executive). Frauenanteil im Management der Mediengruppe RTL Deutschland aktuell: 20 Prozent. Julia Reuter, die seit 2019 für die Bereiche Personal, Kultur und Strategie verantwortlich zeichnet, ist hier die einzige Frau neben Bernd Reichart, Matthias Dang, Alexander Glatz und Stephan Schäfer.

Und auch wenn man eine Ebene tiefer schaut, wird der TV-Bereich bei Bertelsmann ganz überwiegend von Männern dominiert. An der Spitze von RTL, Vox, ntv, Nitro, RTLplus und auch des Streaming-Dienstes RTL+ als Zukunftshoffnung stehen ausnahmslos Männer. Die gerade frisch formierte RTL News GmbH, in der alle journalistischen Angebote gebündelt wurden, wird geführt von Stephan Schäfer und Stefan Schmitter, der zugleich auch CEO von RTL Radio Deutschland ist. Ernannt hat man fünf Chefredakteure - die einzige Frau darunter ist die langjährige ntv-Chefredakteurin Sonja Schwetje. Tanit Koch, die man erst 2019 geholt hatte, ist inzwischen bekanntlich schon wieder von Bord gegangen.

Auch sonst muss man in der Führungsetage der Mediengruppe RTL Deutschland nach Frauen regelrecht suchen. Fündig wird man bei Frauke Neeb, die den Posten der Programmdirektorin von RTL+ übernommen hat. Bei RTL macht das ein Mann, ebenso wie auch die beiden Unterhaltungschefs Männer sind. Bei Vox sieht es etwas besser aus: Programmchefin Ladya van Eeden ist dort Ende letzten Jahres zwar gegangen, um die strategisch und operative Programmplanung kümmert sich mit Iris Preiss aber weiterhin eine Frau, der Unterhaltungsbereich ist zwischen Kirsten Petersen und Marcel Amruschkewitz aufgeteilt und damit auch aus Geschlechtersicht ausgewogen besetzt. Mit Inga Leschek gibt es zudem seit acht Jahren eine Geschäftsführerin der Produktionstochter RTL Studios (früher Norddeich TV), die zahlreiche Sendungenw ie beispielsweise die "Ninja Warrior"-Formate produziert.

Bei Bertelsmann selbst kann man indes kein Problem erkennen. "In zahlreichen, vor allem kreativen Top-Positionen im Konzern finden sich herausragende Managerinnen", so ein Unternehmenssprecher, der als Beispiele unter anderem die BMG-Europa-Chefin Dominique Casimir, Territory-Chefin Sandra Harzer-Cux, Kommunikationschefin Karin Schlautmann und UFA-Produzentin Ute Biernat anführt. Und natürlich hat Bertelsmann viele Frauen in wichtigen Positionen - doch um beim Beispiel der UFA zu bleiben: Im Management sitzen dort eben auch nur zwei Frauen, aber sechs Männer, auch hier wird das selbst gesteckte Ziel also gerissen.

Dass Bertelsmann bzw. konkret der TV-Bereich zuletzt so eine Männerdomäne geworden ist, überrascht insbesondere angesichts der Größe des Unternehmens, in der Diversität inhouse grundsätzlich ein adressiertes und an vielen Stellen vorangetriebenes Thema ist, sich aber aktuell nicht so recht in den Führungspositionen widerspiegelt. Und dass man vor wenigen Jahren sogar mit gutem Beispiel vorangegangen ist, macht den Kontrast umso auffälliger. Zur Steigerung des Frauenanteils, der im Top-Management Ende 2020 nach Unternehmensangaben bei 27 Prozent, im Senior Management bei 30 Prozent lag, habe man schon vor längerem den Frauenanteil in den "Talent Pools", in denen Mitarbeiter intern auf die Übernahme neuer Aufgaben vorbereitet werden, gesteigert. Die dortige Zielvorgabe im Bereich Top- und Senior-Management habe man schon 2019/20 erfüllt. Sie liegt allerdings auch dort nur bei 33 Prozent.

In eigener Sache

  • Zwei Frauen, drei Männer bilden das Kölner Team von DWDL, im Autorinnenkreis freuen wir uns über Senta Krasser und Petra Schwegler, in der Nachrichtenredaktion gibt es derzeit aber noch keine Kollegin. In einem kleinen Team gibt’s wenig Wechsel, wir freuen uns aber auf Bewerberinnen für eine neue Stelle ab Herbst. Diversity hat viele Gesichter, bunt unterwegs sind wir auf jeden Fall.