Noch nie sei der Abstand zu Sat.1 so gering gewesen wie im vergangenen Jahr 2013, sagte Vox-Geschäftsführer Bernd Reichart am Donnerstag in Berlin. Doch aktuell muss sich sein Sender eher in Richtung RTL II orientieren: Nicht zuletzt wegen der Olympischen Spiele fiel Vox im Februar auf ein Fünf-Jahres-Tief. Gerade mal noch 6,6 Prozent betrug der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen, nachdem man ein Jahr zuvor noch bei mehr als acht Prozent gelegen war. Auch Reichart selbst sprach nun von einem "sehr holprigen Start" und gab zu, "noch nicht richtig in Tritt" gekommen zu sein. "Der Einschlag von Dschungel und Sotschi war kräftiger als wir es vorhergesehen haben."

Es sind erstaunlich ehrliche Töne, die Reichart gut ein Jahr nach seinem Amtsamtritt bei Vox anschlägt - auch in Bezug auf die äußerst sehenswerte Anwaltsserie "Suits", die man derzeit mit bislang überschaubarem Erfolg am Freitagabend zu etablieren versucht. Auch hier gibt sich Reichart offen und sagt, die Serie habe bislang "nicht alle Quotenerwartungen erfüllen" können. Er glaube aber, dass "Suits" noch Fahrt aufnehmen kann. Wohl gemerkt: Kann, nicht wird. Ganz sicher ist sich Reichart da bislang nicht, doch noch ist die Hoffnung auf einen ähnlichen Aufschwung vorhanden, wie ihn Vox vor vielen Jahren mit "Ally McBeal" verzeichnete.

Gerade die Serien sind derzeit eine Baustelle bei Vox. Nachdem zahlreiche Krimiserien über Jahre hinweg eine sichere Bank für den Sender darstellten, brennt es momentan gleich auf mehreren Fiction-Sendeplätzen. Sorgen bereitet Vox vor allem der Montagabend, wo man mit "Arrow" und "Grimm" zwar mit Erfolg neue Serien-Farben etablieren konnte, mit Wiederholungen zuletzt aber nur etwas mehr als fünf Prozent Marktanteil schaffte. Dass es an Nachschub fehlt, wurde bei der Programmpräsentation nur allzu deutlich. Immerhin: Mit "Dracula" hat sich Vox eine Serie gesichert, die in Zukunft gut zur neuen Ausrichtung des Montags passen wird.

Auch die neue Serie "King & Maxwell" werden die Kölner zeigen - von der immer noch auf Halde liegenden Sitcom "Anger Management" mit Charlie Sheen war dagegen mal wieder keine Rede. Stattdessen setzt Vox auf neue Staffeln bewährter Serien wie "Burn Notice", "Rizzoli & Isles" oder "Revenge". Gleichzeitig will man sich in neue Gefilde vorwagen. "Wir denken in Events", betonte Bernd Reichart beim Programm-Ausblick auf die kommenden Monate. Der Zehnteiler "Die Bibel", der an Ostern zu sehen sein wird, ist dafür ebenso ein Beleg wie die beiden britischen Miniserien "Der Anwalt des Teufels" und "The Guilty", die noch im März ausgestrahlt werden.

Doch es sind nicht nur die Serien, die dem Sender zuletzt zu schaffen machten. Auch im Bereich der Eigenproduktionen ist Vox in der Primetime lange kein großer Wurf mehr gelungen - gerade erst ist die Eislauf-Doku "Real Cool Runnings" mit mauen Quoten zu Ende gegangen. Besser soll es die neue Karriere-Show "Die Höhle der Löwen" machen, die aktuell produziert wird und an die Erfolge des Formats in Großbritannien und den USA anknüpfen soll. Das Hauptaugenmerk lenkte Vox am Donnerstag aber auf Xavier Naidoo und dessen neue Musikshow "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert", für die der Sänger gemeinsam mit sechs weiteren Kollegen noch in dieser Woche nach Südafrika reisen wird. Zu sehen sein wird sie ab dem 22. April jeweils dienstags um 20:15 Uhr.

Das aus den Niederlanden stammende Format, das Parallelen mit dem inzwischen eingestellten Format "Cover my Song" aufweist, galt nach Angaben von Vox-Chefredakteur Kai Sturm bislang als nicht umsetzbar in Deutschland. Doch das, was man in Berlin sehen und vor allem hören konnte, macht Mut: Naidoo performte gemeinsam mit Sarah Connor und Volks-Rock'n'-Roller Andreas Gabalier einen seiner Hits - und man darf tatsächlich gespannt sein, was das gegenseitige Covern weiterer Songs demnächst zu Tage fördern wird. "Es gibt kaum noch Formate, in denen man Musik hört - außer in Castingshows", bedauerte Naidoo, der selbst in zwei Staffeln von "The Voice" am Castinggeschehen teilnahm.

Nun will er gemeinsam mit Connor und Gabalier sowie Sasha, Sandra Nasic, Roger Cicero sowie Stefan Raabs Casting-Entdeckung Gregor Meyle den Beweis antreten, dass im deutschen Fernsehen doch noch Platz ist für Musik. Es ist ein mutiges Experiment, das Vox mit "Sing meinen Song" wagt, und es wird vor allem ebenso wie "Die Höhle der Löwen" keineswegs ein Selbstläufer sein - schon alleine, weil es sich dabei nicht um die berühmt-berüchtigten Me-Too-Formate handelt. Gleichzeitig will man bei Vox aber auch nicht auf Daniela Katzenberger verzichten, die sich von "Natürlich blond" verabschiedet, um sich in einer neuen Sendung auf die Suche nach der wahren Schönheit zu begeben.

Zudem erhält Jorge Gonzales bei Vox ein eigenes Format: In "Chicas Walk Academy" begleitet Vox den Catwalk-Trainer auf seiner Mission, Frauen jeden Alters zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Tagsüber will sich der Sender indes glücklicherweise von Scripted Realitys verabschieden. "Verklag mich doch" wird inzwischen schon gar nicht mehr produziert und soll unter anderem dem Straßen-Quiz "Wer weiß es, wer weiß es nicht?" weichen, das Ende April zurückkehren wird. Neuen Schwung erhofft sich Vox noch dazu von der Dokusoap "Mein himmlisches Hotel", die ab Mitte des Monats um 17:00 Uhr laufen soll.

Und auch die Coaching-Doku "3 Engel für Tiere" ist neu. Darin sollen eine Katzentherapeutin, eine Tiertrainerin und eine Papageien-Expertin verzweifelten Tierbesitzern helfen. Vox setzt also alles daran, um die durchaus beachtliche Zahl von 70 Prozent Eigenproduktionen im Programm zu halten - nicht zuletzt, um sich unabhängig von den Lizenzserien aus den USA zu machen, wie Geschäftsführer Bernd Reichart beim Pressetermin in der Hauptstadt betonte. Doch ob "Die Höhle der Löwen" oder "Sing meinen Song" das Zeug dazu haben, die aktuelle Serien-Schwäche auszugleichen, bleibt abzuwarten. An Herausforderungen wird es Reichart und seinem Team also in den kommenden Monaten ganz sicher nicht mangeln.