Das WDR Fernsehen steht im Umbruch und das soll sich nach Meinung von Fernsehdirektor Jörg Schönenborn auch im neuen Jahr fortsetzen - alles mit dem Ziel, die jungen Zuschauer zurück zu gewinnen. Oder wie es Schönenborn in der aktuellen Ausgabe der "WDR Print" erklärt, die "Zeitarmen", die nicht so viel Zeit in das Fernsehen investieren, im Gegensatz zu den "Zeitreichen", die häufig die Älteren seien. Schönenborn gibt hier über den Wert eines jeden Zuschauers eine einfache Rechnung aus: "Wenn eine 40-jährige alleinerziehende Mutter abends einmal die Woche eine Viertelstunde 'WDR aktuell' guckt, ist und das genauso wertvoll, wie wenn ein 75-Jähriger jeden Abend die 'Lokalzeit' einschaltet". Das wirke sich zwar in der Quote kaum aus, aber für Schönenborn und den WDR sei entscheidend, dass die Frau Kontakt mit dem Sender hat.

Dabei helfen sollen auch Formate wie "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von". Die Ensemble-Show war zwar aus Quotensicht kein Renner, war für den WDR aber dennoch ein wichtiger Schritt. "Wenn zum Beispiel 'DUEILV' es schafft, Menschen an unser Programm zu binden, die uns sonst nirgendwo gucken, dann ist das wertvoll". Als Sender für alle Nordrhein-Westfalen hat es sich Schönenborn zum Ziel gesetzt, verstärkt die 35- bis 55-Jährigen zu erreichen, die immerhin ein Drittel der Landesbevölkerung ausmachten. Schönenborn selbst spricht hier bereits von der "Eroberungszielgruppe".

Besonders wird sich der Wandel im WDR-Programm zum 50. Geburtstag des Senders bemerkt machen. Als Geburtstagsgeschenk wolle man vom 24. August bis zum 4. September eine Rakete zünden, so Schönenborn. "Das werden Einzelsendungen sein, aber auch Staffeln, die dann beginnen. Und unsere Botschaft wird auf jeden Fall sein: Wir sind jung und stellen uns neu auf". In diesem Aktionszeitraum sollen dann auch bereits etablierte Formate wie "Quarks & Co", "markt" und "frauTV" den Auftrag haben, mal was anderes zu machen.

Kurzfristig wird es außerdem aus dem Studio Wuppertal, das neue Wege in der lokalen Berichterstattung ausprobieren soll, eine neue "Espresso-Lokalzeit" geben. In 150 Sekunden werden hier in der Mediathek, vor allem aber auch über YouTube, nachmittags die wichtigsten Infos gebündelt präsentiert. Nachdem in der Zeit zwischen den Jahren nun aus Kostengründen bereits die Samstagsausgabe der "Lokalzeit" gestrichen wurde, soll aber auch grundsätzlich mit neuen Techniken experimentiert werden. Dazu gehört ein Wuppertaler Feldversuch, bei dem kompakte Übertragungstechnik aus dem Rucksack wie bei Auslandseinsätzen verwendet werden und somit auf einen kostspieligen Ü-Wagen verzichtet werden soll.

Zukünftig will Schönenborn auf alle Plattformen gehen, um vor allem die Menschen unter 35 zu erreichen. Nachdem jede Redaktion hier aber zuletzt ihren eigenen Weg gegangen ist, will Schönenborn nun, dass der WDR "bei der Verbreitung unserer Inhalte professioneller" werde - und appelliert gleichzeitig aber einmal mehr auch an die Politik, die es verbietet, Lizenz-Serien aus dem Ausland in der Mediathek bereitzustellen. Hoffnung legt Schönenborn hier in die Verhandlungen über den Jugendkanal, der ohne einschränkende Auflagen auskommen soll.

Aber auch 2015 muss der WDR weiter sparen. Nach dem Wegfall von der Samstags-Lokalzeit und der Verschmelzung des "Bericht aus Brüssel" mit dem "Europamagazin", wird es künftig auch keine neuen "westART Meistwerke" mehr geben. Kosten spart der WDR auch durch die Zusammenlegung der "Weltreisen" und "ARD exklusiv" im Ersten. Doch eine Bestandsgarantie gibt es auch 2015 für die nicht gestrichenen Sendungen nicht. "Wir werden weitere Treppenstufen nach unten gehen müssen", kündigt Schönenborn an. "Im neuen Jahr stehen wieder die gleichen Beratungen an, und wir haben eine klare Linie: Wir wollen im WDR Fernsehen uns künftig auf die wichtigen Dinge konzentrieren".

Die Lücken im Programm, die dadurch entstehen, will Schönenborn mit mehr Übernahmen anderer Sender und Wiederholungen füllen. Gerade die fiktionale Ware, die im WDR Fernsehen nicht so präsent sind wie in anderen Dritten, bietet sich nach Ansicht Schönenborns hier an. "Gerade die 'Eroberungszielgruppe' möchte mehr Fiktion, mehr Filme, mehr Serien", so der WDR-Fernsehdirektor. "Wir starten zum Beispiel deswegen jetzt im Januar die Wiederholung der aktuellen Staffel 'Mord mit Aussicht' direkt montags um 20:15 Uhr, um das Signal zu geben: Wir bieten auch in der Primetime ein bisschen mehr Entspannung - auf einem Sendeplatz, auf dem sonst Service-Formate und Reportagen wie "Könnes kämpft" ihren Platz hatten.