"Habt ihr nix zu beten?": Schmidt mit furiosem Comeback zur Geisterstunde
Mit einer Geste wie sie Papst Benedikt XVI. bei seiner Ernennung vor zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz im April prägte, begrüßte Schmidt das Publikum nach seiner verkürzten Sommerpause. Eine selbstgefällige Geste, die man ihm dank einer hervorragenden halben Stunde Fernsehunterhaltung nachsieht. Zuletzt war Schmidt oft genug in der Kritik: Seine hohen Gehälter, sinkende Quoten und mäßige Unterhaltung machten Schlagzeilen.
Extra für den Weltjugendtag, so die WDR-Werbung vor der Sendung, habe Schmidt seinen Urlaub unterbrochen. Und das lohnte sich: Zur Geisterstunde widmete sich Schmidt in seiner ersten Sendung nach der Sommerpause ausführlich dem Event im Rheinland. Mit dabei als "Sängerin" im Team der Show: Madame Nathalie. Dass sie dann aber kein einziges Mal sang, obwohl Schmidt sie wiederholt als Talent für Rock, Pop und Gospel ankündigte, war einer der stilleren Gags der Sendung.
"Nun lasst mal gut sein": Mit einer Parodie auf Joachim Kardinal Meisners Grußrede beim Eröffnungsgottedienst im Rheinenergie-Stadion begann Schmidt seine ganz persönliche Berichterstattung zum Weltjugendtag. Schmidt, der sich im Vorfeld als großer Fan des Papstes ausgab, tat dies dabei in gewohnter Schärfe - ohne Rücksicht oder Respekt vor seiner Heiligkeit. In Zeiten von Schleichwerbung nuschelte er "Rheinenergie-Stadion" sicherheitshalber hinter vorgehaltener Hand.
Wie Bundespräsident Köhler wohl den Papst begrüßen werde? "Hallo Eure Heiligkeit, mein Name ist Horst Köhler - ich habe den Bundestag aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, ich muss weg" oder warnt er Benedikt XVI. mit seinem Papamobil davor, dass in Deutschland Arbeit Vorfahrt habe? Oder doch eher: "Mein Name ist Horst Köhler. Ich freue mich, dass Sie in Ihrer ersten Reise ein Drittweltland besuchen."
Die größte Angst habe man allerdings vor Stoiber. Nicht dass dieser auftauche und sich zu Wort melde mit: "Ich will nicht, dass die Frustrierten in Rom entscheiden, was in deutschen Schlafzimmern passiert". "Wir feiern diesen Weltjugendtag mit zwei Päpsten - mit Johannes Paul II. vom Himmel her und mit Benedikt XVI. von der Erde her", sagte Joachim Kardinal Meisner bei der Eröffnung des Weltjugendtages. Schmidt: "Vermutlich kommt am Sonntag aber nur einer. Nicht dass sie nachher enttäuscht sind."
"Meine Pilger"
Schmidt beherbergt in den Produktionsräumen seiner Show auch Teilnehmer des Weltjugendtages. Eine Gruppe von 14 Pilgern aus El Salvador nächtigt dort. Für die Gruppe wurden zwei VIP-Garderoben zur Verfügung gestellt. Für Verköstigung werde auch gesorgt. In einem Einspieler, dem Highlight der Show, erzählten Schmidt, Nathalie und Andrack von der Ankunft der Pilger - "meiner Pilger", wie Schmidt sagt.
Von der Ankunft des Busses über die erste Kontaktaufnahme bis zur Schlafplatzzuweisung: Selten passten so viele Lacher in letzter Zeit in einen Beitrag der Show. Aus Countdown-Shows bekannte Zwischenrufe und Kommentare sowie Untertiteln, die sich selbst auf den Arm nahmen, waren schon die halbe Miete. Schmidts Sprüche die Krönung: Frisch aus dem Urlaub wirkte er lockerer und selbst wesentlich besser drauf als zuletzt in routinierten Sendungen ohne Highlights.
"Ich glaube, Nathalie ist Spanierin, die hat uns all die Jahre belogen": Schmidt war erstaunt über Nathalies Spanischkenntnisse im Gespräch mit den Pilgern. Wegen der Schleichwerbung, erklärt Schmidt den Pilgern später, habe man alle Markennamen in der Küche und im Kühlschrank überklebt. Aus Solidarität mit dem Osten gäbe es auch keine Betten.
Bei einem Treffen mit Pilgern sprach Schmidt mit einer Weißrussin. Ob sie denn auch nach dem Weltjugendtag das Land wieder verlassen werde, fragt Schmidt. Ihre sinngemäß übersetzte Antwort: "Ja, aber in drei Jahren will ich zurückkommen und hier studieren". Schmidts Ratschlag: "If you want to come to germany just write a letter to Mr. Joschka Fischer."
Bei einem Besuch in einem Massagezelt, dessen Sinn sich Schmidt nicht direkt erschließt ("Weiß der Vatikan, dass hier massiert wird?"), motzt er die Schaulustigen um ihn rum an: "Habt ihr nix zu beten?". "Hier Uschi, komm runter auf die Knie", zieht Schmidt eine Pilgerin zu sich auf die Matratze, weil er selbst massieren will und eine Mikrofonhalterin braucht. Auf dem Hintern seiner "Patientin" sitzend scherzt Schmidt: "Ich muss aufpassen, dass ich dir nicht aus Versehen den BH aufmache. Das geht ja nicht beim Weltjugendtag."
Es war ein Auftakt nach Maß: Selten machte Schmidt zuletzt so viel Spaß. Ob es allein an der idealen Vorlage des Weltjugendtages liegt, wird man erst in der kommenden Woche erfahren - wenn die Veranstaltung zuende und die letzten Pilger abgereist sind. Dann können auch bei Schmidt die beiden VIP-Garderoben wieder eingerichtet werden. Dringend wäre das allerdings nicht. Gäste wird es auch weiterhin in der Regel nicht geben bei "Harald Schmidt". Solange es so gute Unterhaltung wie bei dieser Ausgabe gibt, stört dies auch nicht.