Mit der Idee, die dritte Staffel von "Weissensee" an drei aufeinanderfolgenden Abenden auszustrahlen, wollte Das Erste den sich verändernden Sehgewohnheiten des Publikums entgegenkommen. Binge Watching lautet das Zauberwort - es beschreibt das Phänomen, mehrere Folgen einer Serie hintereinander zu schauen. Wer sich nicht drei Abende am Stück freihalten wollte, um die neuen "Weissensee"-Folgen zu sehen, konnte aber auch auf die Mediathek zurückgreifen. Um die Geschichten nicht zu verpassen, musste man aber schnell sein, denn nach nur einer Woche war "Weissensee" schon wieder Geschichte. Das ist unter Umständen zu kurz, um viereinhalb Stunden Zeit für die komplexe Wende-Story aufzubringen.

Dass "Weissensee" so schnell verschwunden war, ist ein Stück weit überraschend, immerhin lässt sich die kurz zuvor im ZDF ausgestrahlte Serie "Blochin" mit Hauptdarsteller Jürgen Vogel auch heute noch abrufen. Warum also bestehen derartige Unterschiede? Entscheidend sind unter anderem die in den jeweiligen Telemedienkonzepten der Sender vorgeschriebenen Verweildauern. "Reihen, serielle Angebote und Mehrteiler bleiben bis sechs Monate nach Ausstrahlung der letzten Folge im Angebot, wenn sie ein feststehendes Ende haben", heißt es im Falle des ZDF. "Alle anderen Sendungen, einschließlich Folgen von Reihen und Serien ohne feststehendes Ende, bleiben für die Dauer von maximal drei Monaten nach Ausstrahlung im Angebot."

Weil der Lizenzerwerb bei "Blochin" umfangreicher ausfiel, werden sämtliche Folgen des Mehrteilers ein halbes Jahr lang in der Mediathek stehen, erklärte ein ZDF-Sprecher gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. Bei "Weissensee" war das offenbar nicht möglich. "Die Serie stand nur sieben Tage in der Mediathek, weil es hier eine Rechtebeschränkung gab", heißt es vom Ersten. Trotz der kurzen Verweildauer brachte es "Weissensee" nach Angaben des Senders auf immerhin 670.000 Abrufe - und womöglich wären noch einige mehr hinzugekommen, hätte der Sender die Serie nicht schon nach einer Woche wieder aus der Mediathek entfernt werden müssen.

Auch viele weitere ARD-Serien verschwinden nach nur sieben Tagen aus dem Netz, beispielsweise "Mord mit Aussicht" und "Die Kanzlei", aber auch Vorabendserien wie "Hubert und Staller", "Huck" und das "Großstadtrevier". Zuletzt bemühte sich die ARD allerdings darum, die immer wichtiger werdenden Online-Rechte für eine längere Zeit zu erwerben. So waren etwa die "Vorstadtweiber" im Sommer sechs Wochen lang abrufbar - sie standen sogar schon vor der TV-Ausstrahlung in der Mediathek bereit. Auch "Ein Fall für Liebe" oder "Tierärztin Dr. Mertens" konnten sechs Wochen lang online angesehen werden, bei der "Lindenstraße" sind es immerhin vier Wochen. Und seit fünf Wochen wurde auch die Verweildauer von "Tatort" und "Polizeiruf 110" erweitert: Beide Krimireihe stehen mittlerweile nicht mehr nur sieben, sondern 30 Tage zur Verfügung.

"Die Möglichkeit besteht also - es ist jedoch nicht immer möglich, die maximale Verweildauer auszuschöpfen", sagte Das-Erste-Sprecherin Silvia Maric gegenüber DWDL.de und verwies auf Lizenzen oder Musikrechte, die mitunter im Wege stehen. Beim ZDF besteht dieses Problem offenbar seltener, wie nicht nur das Beispiel "Blochin" zeigt. Noch heute lässt sich etwa der Auftakt zur neuen Staffel von "Der Alte" in der Mediathek abrufen, der Anfang Oktober ausgestrahlt wurde. Auch zahlreiche Vorabendserien sind wesentlich länger als eine Woche verfügbar. Doch was hat es dann mit der ominösen 7-Tage-Regelung auf sich, die regelmäßig die Gemüter erhitzt? Ein Blick in die jeweiligen Telemedienkonzepte zeigt, dass gar nicht so viele Formate davon betroffen sind, wie man denken mag.

Ein ganzes Jahr lang Jahresrückblicks-Quiz

Im Falle der ARD-Portale sind letztlich nur aktuelle Sendungen wie das "Morgenmagazin", das "Mittagsmagazin" und das "Nachtmagazin" von der Löschung nach einer Woche betroffen. Auch die "Tagesschau" muss dann wieder verschwinden - mit Ausnahme der heiligen 20-Uhr-Ausgabe. Anders verhält es sich beim ZDF, nach dessen Telemedienkonzept Nachrichten "grundsätzlich bis zu zwölf Monate" bereitgehalten werden. Ansonsten unterscheiden sich die Vorgaben für ARD und ZDF nicht allzu sehr. So dürfen etwa Dokumentationen und Reportagen sowie Magazin-, Kultur- und Ratgebersendungen wie "Plusminus" oder "ttt" bis zu zwölf Monate angeboten werden.

Auch ausgewählte Unterhaltungssendungen können bis zu ein Jahr lang bleiben, wenn es sich um Themen handelt, "die den politischen und gesellschaftlichen Diskurs nachhaltig bestimmen" - kurioserweise wird hier nicht nur Kabarett als Beispiel angeführt, sondern auch das Jahresrückblicks-Quiz. Gleiches gilt für Interview- und Talkformate mit Personen und Themen der Zeitgeschichte wie "Menschen bei Maischberger" oder "Hart aber fair". Sendungen und Beiträge aus dem Bereich Wissen und Bildung können laut Telemedienkonzepten von ARD und ZDF sogar bis zu fünf Jahre zur Verfügung gestellt werden.

Im Falle von Reihen und Serien hängt es, wie erwähnt, davon ab, ob diese ein feststehendes Ende haben. Ist das der Fall, dürfen sie bis zu sechs Monate nach Ausstrahlung im Angebot bleiben - wenn nicht, dann müssen die Sender dafür sorgen, dass die Folgen schon nach höchstens drei Monaten wieder verschwinden. Eingekaufte Produktionen dürfen hingegen gar nicht erst den Weg in die Mediatheken finden. Tägliche Serien wie "Rote Rosen" und "Sturm der Liebe" können zumindest bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung der jeweiligen Folge vorgehalten werden. Will heißen: Von der umstrittenen 7-Tage-Regelung sind in erster Linie einige Nachrichten-Formate der ARD sowie Soaps und Telenovelas betroffen, deren Anzahl sich aber ohnehin in Grenzen hält. Wenn hingegen sehenswerte Produktionen wie "Weissensee" schon kurz nach der Ausstrahlung nicht mehr zum Abruf bereitstehen, dann liegt's meist an fehlenden Rechten.

Das sagt das Telemedienkonzept des Angebots "DasErste.de"

ARD-Telemedienkonzept© ARD-Telemedienkonzept

aus: ARD-Telemedienkonzept, S. 38