Nach dem Rücktritt von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat der Verband angekündigt, nicht mehr juristisch gegen den "Spiegel" vorgehen zu wollen. Man werde sich auf die Frage konzentrieren, unter welchen Umständen die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 vergeben worden ist "und insbesondere auch keine weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Magazin 'Spiegel' führen, sondern alle Anstrengungen darauf verwenden, so schnell wie möglich über die Kanzlei Freshfield die Befragungen zum Abschluss zu bringen und dann einen transparenten Untersuchungsbericht zur Verfügung zu stellen", erklärte Vizepräsident Rainer Koch, der nun zusammen mit Reinhard Rauball für Aufklärung sorgen will.

Der DFB drückt damit auf die Bremse, nachdem man im Oktober unmittelbar nach Erscheinen der ersten "Spiegel"-Geschichte über das "zerstörte Sommermärchen" in die Offensive gegangen war. Damals hatte man den Medienanwalt Christian Schertz verpflichtet, um "alle denkbaren rechtlichen Schritte einzuleiten", wie Niersbach betonte. Wenig später war Schertz in der Fußball-Talkshow "Sky 90" zugeschaltet, wo er mutmaßte, der "Spiegel" habe sich "ein bisschen vergaloppiert", denn die Sachlage sei "ungewöhnlich und eindeutig". "Nnoch nie" habe er eine Geschichte erlebt, "die so groß verkauft wurde von einem Verlag, wo dann im Artikel selber steht, für die Kernbehauptung, die die Besonderheit und die Gefährlichkeit ausmacht, haben wir keinen Beweis", so der Medienanwalt damals bei Sky.

Inzwischen ist die Situation eine andere. Nachdem sich die Vermutung, dass bei der WM-Vergabe Stimmen gekauft wurden, verstärkte und Wolfgang Niersbach mit seinem Rücktritt die "politische Verantwortung" übernahm, sind diejenigen, die dem DFB bis zuletzt erbittert den Rücken stärkten, leiser geworden. Selbst "SportBild"-Chefredakteur Alfred Draxler, der den "Spiegel" zunächst mit deutlichen Worten kritisierte, hat seine Position mittlerweile verändert: "Ich hätte es mir nie vorstellen können. Ich habe immer daran geglaubt, dass wir die WM 2006 auf saubere Art bekommen haben", schrieb er am Dienstag mit Blick auf einen aufgetauchten Vertragsentwurf, der möglicherweise ein Bestechungs-Versuch war. Und: "Unterschrieben hat das Papier mein langjähriger Freund Franz Beckenbauer."

Kürzlich klang das noch ganz anders. "So war es wirklich: Sommermärchen nicht gekauft!", behauptete Draxler noch Ende Oktober und gab im Sport1-"Doppelpass" zu Protokoll: "Ich habe mit Franz Beckenbauer vorgestern telefoniert. Er sagt, es ist nicht wahr. Er sagt glaubhaft, dass es nicht wahr ist." Dann muss es ja stimmen. Oder eben nicht. Heute schreibt er: "Ob der Deal zustande kam, ist nicht bekannt. Und ob das Sommermärchen wirklich gekauft wurde, ist immer noch nicht zweifelsfrei bewiesen. Aber das von Beckenbauer unterschriebene Papier und der Zeitpunkt der Unterschrift nährt alle Zweifel." Via Twitter schickte Draxler am Dienstag noch eine Entschuldigung an den "Spiegel" hinterher.

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