Bevor der erste Vortrag des diesjährigen Screenforce Days begann, hatte sich schon die Hauptzielgruppe der Veranstaltung zu Wort gemeldet – die Werbekunden. Während die Geschäftsentwicklung der TV-Anbieter in hohem Maße positiv verlaufe, kritisierten die Mitglieder der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM), dass die Schere zwischen Preisen und Leistungen immer weiter auseinandergehe. Kontinuierlich steigenden Spotpreisen stünden deutliche Leistungs- und Wirkungsverluste gegenüber.

Ein besonderer Dorn im Auge der OWM: Über die Brutto-Inflation – verursacht durch jährliche Preiserhöhungen im mittleren einstelligen Prozentbereich – würden "künstlich Spielräume für Rabatte geschaffen, die beim Werbekunden nicht ankommen". Nettoreichweiten wie im Vorjahr seien nicht ohne ein deutliches Plus bei der Bruttoreichweite – also nicht ohne alljährliche Mehrinvestitionen in zusätzliche Buchungen – zu erreichen. Außerdem benötige die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) dringend eine Strukturreform. In ihrer bestehenden Konzeption sei die AGF nicht agil genug, um Veränderungen in ausreichendem Tempo aufzugreifen und dem Markt zeitnah die erforderlichen Leistungswerte zur Verfügung zu stellen.



Ohne explizit auf die Vorwürfe von Kundenseite einzugehen, nutzte Martin Krapf, Screenforce-Geschäftsführer und Cheflobbyist der TV-Vermarkter, den letzten Screenforce Day in alter Form noch einmal, um die Stärken seiner Gattung in den Vordergrund zu stellen. "Die TV-Branche hat im vergangenen Jahr einen relevanten Milliardenbetrag in hochwertige Programme investiert, so dass wir insgesamt für den Wettbewerb in der digitalen Welt gut gerüstet sind", so Krapf im Gespräch mit Screenforce-Day-Moderator Wolfram Kons.

Auch und gerade bei jungen Zielgruppen gebe es kein anderes Medium, das auch nur annähernd 50 Prozent tägliche, knapp 80 Prozent wöchentliche und knapp 90 Prozent monatliche Nettoreichweite bei den 18- bis 34-jährigen "Digital Natives" erreiche, so Krapf weiter. "Disruption ist Quatsch", lautete seine Antwort, als Kons nach dem geläufigen Trendbegriff fragte. "Disruptive Entwicklungen kann ich wirklich nicht erkennen – alle bisherigen Entwicklungen und vorliegenden Zahlen belegen eine Evolution unseres Mediums. Ich bin selbst manchmal überrascht, wie robust und geradezu zäh unser lineares Fernsehen sich in der neuen Konkurrenzsituation behauptet."

Für die Vergleichbarkeit von TV mit Bewegtbild via YouTube oder Facebook bekräftigte Krapf den altbekannten Wunsch nach transparenten Nutzungszahlen und vergleichbaren Wirkungsindikatoren. Und dann zitierte der Screenforce-Chef aus dem neuen "Viewtime Report" des ProSiebenSat.1-Vermarkters SevenOne Media: Von den 276 Minuten Bewegtbildnutzung pro Tag entfallen demnach 93 Prozent auf TV, davon wiederum 90 Prozent am klassischen Fernseher und 3 Prozent per linearem Stream via Smartphone oder Tablet. Für YouTube bleiben 2,5 Prozent, weitere 2,5 Prozent für andere Videoportale, 1 Prozent für kostenpflichtige Streamingangebote wie Netflix oder Amazon. "Die Videonutzung auf Facebook kann prozentual gar nicht abgebildet werden, weil sie mit weniger als einer Minute pro Tag im granularen, kaum messbaren Bereich liegt", so Krapf.

Solche und ähnliche Botschaften zogen sich als roter Faden durch den wissenschaftlich eher dünnen Tag am Düsseldorfer Flughafen. Dass verschiedene Lebensphasen viel stärker für die TV-Nutzung ausschlaggebend seien als nur das demografische Alter, zeigte Kai Weidlich, Geschäftsführer des Medien Instituts Ludwigshafen, im Rahmen einer Screenforce-Auftragsstudie. 92 Prozent aller Millennials zwischen 14 und 25 Jahren nutzen demnach mehrmals pro Woche lineares TV. Differenziere man jedoch innerhalb dieser Altersgruppe nach Lebensphasen, so komme man auf 85 Prozent bei Studenten oder 94 Prozent bei Berufstätigen.

Umgekehrt werden Videoportale laut Weidlich von 71 Prozent der Schüler unter den 14- bis 25-Jährigen mehrmals pro Woche genutzt – aber nur von 62 Prozent der Studenten, 58 Prozent der Berufstätigen und 46 Prozent der Eltern mit erstem eigenen Kind in derselben Altersgruppe. "Millennials in frühen Lebensphasen nutzen Bewegtbild in deutlich größerer Vielfalt, aber diese 'digitalen Mediennutzungsexzesse' beruhigen sich in späteren Lebensphasen deutlich", so Weidlichs Fazit.

Weiteres Ergebnis der "Screenlife 2016"-Studie, an der auch das Institut für Demoskopie Allensbach beteiligt war: Die Gratifikationen, die das Fernsehen seinen Zuschauern biete, seien vor allem Entspannung und Stressabbau, dahinter mit etwas Abstand Wissen, Spannung und Emotion. Diese Belohnungen seien sowohl im Zeitverlauf als auch über die Generationen hinweg weitgehend stabil und stünden auch für die Zukunft kaum in Frage. 

"Sie haben YouTube heute ja wieder eindrucksvoll klein gemacht", lobte während der Talkrunde zum Thema "Die neue Freiheit" ein augenzwinkernder Andrea Malgara, Geschäftsführer der Media-Agentur Mediaplus. "Aber es geht hier nicht um 'entweder oder', sondern vielmehr darum, dass starke Medienmarken divergent über alle relevanten Plattformen ihre Inhalte kuratieren sollten." Zustimmung kam von Vox-Chef Bernd Reichart: "Wir müssen besser werden", forderte er. "Die riesige Auswahl führt dazu, dass die Konsumenten ihr Entertainment-Budget viel bewusster allokieren. Wer enttäuscht wird, ist schnell weg und kommt so schnell nicht wieder."

Wie erwartet, kündigte Screenforce für 2017 Neuerungen an: Anstelle des bisherigen Screenforce Days soll eine zweitägige Veranstaltung "alles, was für die Vermarktung von Fernsehen relevant ist", präsentieren – Programmscreenings der Sender, Forschungsthemen, interessante Redner und einen Ausblick auf die Zukunft. Die Premiere ist für den 21. und 22. Juni 2017 im Kölner Coloneum geplant.