Angesehen von wenigen Ausnahmen ist es in Deutschland bislang nicht erlaubt, Live-Aufnahmen aus Gerichtssälen zu senden. Das soll sich in Zukunft allerdings ändern, wie aus einem vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzentwurf hervorgeht. Demnach sollen Urteilsverkündungen in Zukunft nicht mehr nur vom Bundesverfassungsgericht live übertragen werden können, sondern auch vom Bundesgerichtshof, dem Bundesverwaltungsgericht, dem Bundesarbeitsgericht, dem Bundessozialgericht und dem Bundesfinanzhof.

Darüber hinaus sollen auch Ton-Übertragungen von mündlichen Verhandlungen in einem Arbeitsraum für Medienvertreter ermöglicht werden, was besonders bei Prozessen von hohem öffentlichen Interesse von Vorteil sein soll, weil dann mehr Journalisten darüber berichten können. Noch muss allerdings der Bundestag zustimmen. Justizminister Heiko Maas versprach unterdessen, aus dem Gerichtssaal "keine Showbühne machen" zu wollen.

Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender Phoenix begrüßte die erweiterte Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren. "Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wollen, dass Entscheidungen transparent verkündet werden. Dazu kann die Übertragung von Gerichtsentscheidungen im Fernsehen beitragen", sagten Programmgeschäftsführer Michael Hirz und sein Stellvertreter Michael Kolz. Ähnlich äußerte sich auch N24-Sprecherin Kristina Faßler: "Wenn Prozesse ohnehin eine große Öffentlichkeit haben, dann ist eine Live-Übertragung der Urteilsverkündung der völlig logische Schritt in einer Zeit, in der eine derartige Transparenz im Grunde Selbstverständlichkeit ist", sagte sie gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de.

Für n-tv-Geschäftsführer Hans Demmel, der zugleich stellvertretender Vorsitzender des Fachbereichs Fernsehen und Multimedia im Privatsender-Verband VPRT ist, geht der Gesetzentwurf dagegen nicht weit genug. "Der nun vorliegende Kabinettsentwurf ist in der Sache richtig, in der Reichweite allerdings unzureichend, denn er bleibt hinter dem Grundgedanken einer echten Öffnung der Berichterstattung aus Gerichtssälen zum Zwecke einer verbesserten öffentlichen Partizipation deutlich zurück", sagte Demmel und verwies darauf, dass sich der VPRT seit Jahren "für eine sachlich sinnvolle, dosierte Erweiterung der Medienöffentlichkeit" einsetze. 

Demmel: "Zwar ist anzuerkennen, dass der Gesetzgeber trotz des klar artikulierten Widerstands aus Teilen der Richterschaft seine Pläne zur Anpassung der überkommenen Regeln zur Gerichtsberichterstattung überhaupt weiterverfolgt hat. Dass der Entwurf jedoch im Zeitalter der Digitalisierung und der Medienkonvergenz lediglich eine Audioübertragung der Verhandlung in den künftig für Journalisten bereitzustellenden Medienarbeitsraum vorsieht, ist nicht weniger als ein Anachronismus. Die sich zwangläufig ergebende Unterteilung in eine Berichterstattung erster - aus dem Saal - und zweiter Klasse - aus dem Nebenraum - wird den Konflikt um die Plätze im Gerichtssaal nicht lösen, sondern eher noch verschärfen. Es muss daher das Ziel sein, im Sinne einer zukunftsfähigen und medienkonvergenten Lösung jedenfalls diesen offensichtlichen Mangel im parlamentarischen Verfahren zu beheben."