Die Eröffnung der 30. Medientage München begann zunächst mit einer Panne. Ein Film zur Geschichte der Veranstaltung wollte einfach nicht laufen. Kurze betretene Stille im abgedunkelten Saal des Internationalen Congresszentrum München. Moderatorin Dunja Hayali rettete den Moment und führte kurzerhand elegant über zur Begrüßung des Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Siegfried Schneider.

Auf seine Grußworte folgte der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Auf die Panne zum Einstieg eingehend, bekannte er mit einem Schmunzeln, er habe eigentlich die Einzigartigkeit und Fehlerfreiheit Bayerns betonen wollen. "Und dann das." Seehofer: "Das zerstört unser Selbstbewusstsein. Da werden wir therapeutisch wochenlang dran arbeiten müssen. Und dass Du liebe Bundeskanzlerin da jetzt Zeuge dieses Scheiterns wurdest..." Der Satz ging im Gelächter des Publlikums unter.

Er überließ die Bühne Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gleich zu Beginn Ihrer Rede zur Erheiterung des Publikums an Seehofer gerichtet konterte: "Ausnahmen bestätigen die Regel. Da muss Bayern nicht an seinem Selbstbewusstsein zweifeln." Ihre Rede spannte daraufhin zunächst den Bogen von der Gründung der Medientage München zur heutigen Medienwelt mit ähnlichen Herausforderungen. Damals in den 80er Jahren wurde das mediale System durch den neuen privaten Rundfunk auf den Kopf gestellt. Heute ist es das Netz. Von dort ging es zur Rolle der Medien.

"Vielfalt, Umfassenheit und Präzision einer Medienlandschaft ist konstitutiv für eine Demokratie, auch wenn einem nicht alles gefällt was man sieht oder liest", referiert Merkel auf der Bühne der Medientage München. Wir könnten zutiefst dankbar sein, dass wir eine Pressefreiheit in so großer Vielfalt haben. "Die Pressefreiheit gilt es immer und überall zu verteidigen", sagt Merkel und hebt namentlich die Arbeit der Deutschen Welle hervor.

Wie schon bei ihrer Rede bei der Jungen Union ging es der Bundeskanzlerin besonders um die Diskussionskultur im Netz. Natürlich habe es auch schon vor dem Internet  Menschen gegeben, die nur ihre eigene Meinung bestätigt sehen wollten. Aber das Internet habe dies weitaus sichtbarer gemacht und potenziert. In der digitalen Welt sei es zum Standard geworden, sich mit Meinungen zu umgeben, die man selber teile. Das habe mit der persönlichen Mediennutzung zu tun, aber auch mit Algorithmen.

Es brauche Transparenz von Algorithmen, weil sich "die großen Plattformen zum Nadelöhr der Vielfalt der Anbieter" entwickeln würden. Wenn Informationen gesteuert und so ausgespielt werden, dass sie nur passende Meinungen und Informationen anbiete, dann "führe das zu einer Verzerrung der Wahrnehmung." "Bürger müssen sich informieren können, was die anderen denken und warum sie es nicht sehen", fordert Merkel daher. Aber nicht nur die großen Technik-Anbieter aus dem Silicon Valley bekommen mahnende Worte mit auf den Weg - auch die eben noch gelobten Journalisten und Medien bekamen noch die Leviten gelesen.

Immer mehr Anbieter auf dem Markt. "Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Qualität wird nicht einfacher", schlussfolgert Merkel. Es brauche aber weiterhin die Überprüfung von Quellen, das Zusammenfügen von Fakten und die Herstellung von Zusammenhängen. Das sei Aufgabe des Journalismus, auch wenn "die digitale Rasanz" dazu führe, dass oftmals Ereignisse heutzutage schon kommentiert werden bevor sie eigentlich stattgefunden haben.

Da überschlage sich der Wettbewerb, Erster sein zu wollen. Das amüsiere sie zunehmend. Und ergänzt: VIelleicht sei der ausgefallene Film zu Beginn auch nur der Test für jene Journalisten, die ihre Texte über die Eröffnungsveranstaltung schon längst geschrieben hätten. Die Bundeskanzlerin schelmisch: "Vielleicht war das ja der geheime Plan?"

Die Öffentlich-Rechtlichen streifte Angela Merkel nur am Rande. Weiteres Thema ihrer Ausführungen: Digitales Lernen in Deutschland. Im Schulunterricht solle das Programmieren zumindest im Grundsatz gelehrt werden, damit Verständnis dafür entsteht, wie Algorithmen funktionieren und wie sie steuern können. Auch flächendeckende Breitband-Versorgung sei dafür von Bedeutung. Bis 2018 soll die Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit gesichert sein. Aber das sei allenfalls ein Anfang, denn es brauche flächendeckende Verfügbarkeit von Gigabit-Geschwindigkeiten.

Der Umgang mit Big Data sei sehr entscheidend. Einerseits müsse Datenschutz gewährleistet werden, aber man müsse ebenso ganz genau bewerten wie wertvoll und geschützt einzelne Daten sein sollen und müssen. Denn die Nutzung und Auswertung von Big Data sei international längst ein zukunftsfähiger Wirtschaftszweig geworden. Da stehe Deutschland vor der Frage: "Sind wir verlängerte Werkbank oder führender Industristandort?", fragt Merkel angesichts der nötigen Entscheidung. "Der Rohstoff der Zukunft sind die Daten."

Urheberrecht und andere das Digitale betreffende rechtliche Rahmenbedingungen müssten auf europäischer Ebene geklärt werden. Merkel betont: Zentrale deutsche Forderungen würden dort aber bereits berücksichtigt. "Digitalisierung kennt keine Grenzen. Um möglichst viele Chancen zu erschließen, brauchen wir europäische Lösungen um auf dem Weltmarkt eine Chance zu haben." Sie sei froh, dass die EU mit Günther Oettinger da einen deutschen Experten auf dem Thema habe. Eine Anmerkung Merkels, die höchstwahrscheinlich ernst gemeint gewesen sein soll.

Abschließend äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hoffnung, dass vor lauter digitalen Geräten dennoch noch ganz analoge Gespräche entstehen, damit die Besucher der Medientage München nicht nur mit Selfies sondern gewonnenen Erkenntnissen nach Hause fahren. Ein launiger Einstieg einer stellenweise pointierten, manchmal schwammigen Rede - mit einer deutlich erkennbaren Botschaft für das digitale Miteinander im Netz an alle Beteiligten: Die großen Netz-Konzerne, die Nutzer und die Medien.