Seit mehr als 15 Jahren veröffentlichen NDR Kultur, die Süddeutsche Zeitung und das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels bereits eine Liste der "Sachbücher des Monats". In der Juni-Liste fand sich auf Platz 9 nun allerdings das Buch "Finis Germania" des im vergangenen Herbst verstorbenen Historikers Rolf Peter Sieferle, der sich in den letzten Jahren vor seinem Tod rechtsradikalen Positionen angenähert hat. Erschienen ist das Buch in einem Verlag, der der extremen Rechten zugerechnet wird.

Dieses Buch sei "für NDR Kultur nicht tragbar", heißt es nun aus dem NDR, nachdem es in den vergangenen Tagen öffentlich schon viel Kritik und Unverständnis gehagelt hatte. "Nach Einschätzung von NDR Kultur und anderer Kritiker äußert Rolf Peter Sieferle in seinem Buch rechtslastige Verschwörungstheorien, von denen sich NDR Kultur entschieden distanziert", heißt es in einer Mitteilung. Dazu Barbara Mirow, Leiterin von NDR Kultur: "Die Empfehlungen der Jury 'Sachbücher des Monats‘ waren für unsere Hörerinnen und Hörer stets von hohem Interesse und Wert. Umso mehr bedauern wir die gravierende Fehlentscheidung der Jury. Bis zur vollständigen Aufklärung der Frage, wie es zu der für uns nicht akzeptablen Empfehlung der Jury kommen konnte, setzen wir die Zusammenarbeit mit der Jury aus. Die 'Sachbücher des Monats‘ werden von NDR Kultur bis auf weiteres nicht mehr veröffentlicht."


Ausgewählt werden die Bücher von einer unabhängigen Jury, die sich aus Wissenschaftlern sowie aus Autoren und Redakteuren großer Medien zusammensetzt, etwa von "FAZ", "Welt", "SZ", "Spiegel", "Zeit", Deutschlandfunk. Vorsitzender der Jury ist der ehemalige leitende NDR-Kultur-Redakteur Andreas Wang, der inzwischen im Ruhestand ist. Die "Süddeutsche" erklärt online, wie sich das Auswahlverfahren gestaltet: Es gibt keine gemeinsame Sitzung, stattdessen senden die Juroren Listen mit Punkten für einzelne Bücher. Wer innerhalb der Jury für "Finis Germania" votiert hat, ist unklar, öffentlich bekannt hat sich bislang keines der Jury-Mitglieder.

Wang sagte gegenüber der "SZ" bereits, dass die Jury "ganz und gar nicht glücklich" über die Platzierung des Buches sei, die durch "Akkumulation von Punkten" eines Jurymitglieds zustande gekommen sei. "Einstimmigkeit herrscht darüber, dass jedes Jurymitglied frei ist, seine Meinung durch die Vergabe von Punkten kundzutun, und niemand ist bereit, einen Eingriff hinzunehmen. Wir akzeptieren jedoch keine Instrumentalisierung dieser Liste durch gezielte Platzierung. In diesem Fall fühlen wir uns verpflichtet, den Juror oder die Jurorin, von dem die Platzierung stammt, zum Rücktritt aufzufordern beziehungsweise ihm seine weitere Mitarbeit zu versagen", so Wang. Auch das Verfahren soll nun überarbeitet werden, damit "keine Platzierung eines einzelnen Mitglieds der Jury möglich ist", so Wang. SZ-Redakteur Bisky ist unterdessen in Folge der Aufführung von "Finis Germania" bereits aus der Jury zurückgetreten.

Mehr zum Thema