"Heiße Flirts und neue Dramen" verspricht RTL+ dieser Tage in Hinblick auf die neue Staffel von "Ex on the Beach" (Start am Dienstag, 7. Mai), gleichermaßen könnte dieses Versprechen aber auch auf eine Fülle anderer Formate des Streamers zutreffen. In den vergangenen Jahren hat RTL+ ein Reality-Portfolio aufgebaut, das Genre-Fans ganzjährig und mehrmals pro Woche bedient. Allein 18 Folgen von "Ex on the Beach" stehen in diesem Jahr zur Ausstrahlung bereit, zuletzt sogar mit 20 oder 21 Episoden liefen "Are you the One" und "Are you the One – Realitystars in Love". Hinzu kommen pro Jahr eine Staffel von "Temptation Island" und "Temptation Island VIP" sowie etwas neuere Formatideen wie "Make Love, Fake Love" und "Love Fool".



Jörg Graf © MG RTL D / Boris Breuer Jörg Graf
Heißt: Während die inzwischen fünfte "Ex on the Beach"-Staffel für reichlich Drama sorgt, laufen die Kameras, um Nachschub in Sachen "Are you the One" herzustellen. Beide Sendungen und auch "Love Fool" kommen von RTL Studios, dem somit wichtigsten Produzenten des Genres, das RTL-Programmchefin Inga Leschek kürzlich als "Bikini-Dating" umschrieb. Und an Nachschub dürfte es auch künftig nicht mangeln, denn sowohl RTL Studios als auch Banijay ("Temptation Island") berichten, dass es an potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten auch für die jeweils x-te Staffel nicht mangeln würde. Von einem "hohen Bewerbungsrücklauf" ist aus dem Hause Banijay zu hören, RTL Studios sieht den Markt für Bewerber von Realityformaten "eher wachsen", wie es Geschäftsführer Jörg Graf formuliert.

Love Fool © RTL Party - ein wichtiger Bestandteil von Realitys. Auch bei "Love Fool" wurde zuletzt nicht zu wenig gefeiert.


Wenig verwunderlich: Die einprägsamsten Köpfe solcher Formate haben das Reality-Dasein längst zum Hauptberuf gemacht. Beispiel Gigi Birofio, den die Google-Suche gar als "TV-Star" bezeichnet. Sein großer TV-Aufschlag erfolgte 2020 eben bei "Ex on the Beach", den Höhepunkt erreichte Birofio dann drei Jahre später als Teil des RTL-Dschungelcamps. Dass bei RTL in Sachen Bikini-Dating längst auf Masse gegangen wird, scheint sich bis dato nicht negativ ausgewirkt zu haben.

Man könne mit Sicherheit davon ausgehen, "dass Reality-Fans eine hohe Genre Bindung auch über die einzelnen Formate hinweg haben. Wir sehen hier eine Offenheit und ein Interesse auch an neuen Formaten oder auch an Spin Offs", sagt Jörg Graf. Wichtig sei aber, dass jedes Format klare Elemente habe, die jeweils dann den Kern der Show bilden. Kurz gesagt: Bei "Ex on the Beach" ist dies das Aufeinandertreffen mit Ex-Partnern, bei "Temptation" das Widerstehen der großen Versuchung durch die Verführer. Und bei "Love Fool" und "Make Love, Fake Love" das spielerische Element, die "Faker" zu enttarnen. Der von außen mitunter unterstellte Einheitsbrei im Bikini-Genre wird von den Verantwortlichen nicht als solcher wahrgenommen. "'Temptation Island' hat einen einzigartigen USP und hebt sich dadurch bereits von anderen Datingformaten ab", ist man etwa bei Banijay überzeugt.

Temptation Island © RTL / Frank J. Fastner Auch "Temptation Island", im Bild der Cast der 2022 gezeigten Staffel, setzt auf Sonne, Palmen und extrovertierte Persönlichkeiten.


Jörg Graf von RTL Studios geht sogar noch weiter und betont die Unterschiedlichkeit jeder einzelnen Staffel der jeweiligen Formate. Allein "die immer neue Zusammensetzung der Teilnehmenden" sorge für Überraschungen. "Egal was sich jeder einzelne Teilnehmende wünscht oder plant: Die Dynamik unter den Teilnehmenden ist nicht absehbar und hält die Formate so frisch und spannend." Es erfordert aber auch redaktionelles Geschick. "Wir schaffen ein formatbasiertes Setting, welches alles zwischen Tragödie und Komödie zulässt. Die Kunst liegt darin, dies am Ende für unser Publikum so zusammenzuführen, dass wir über die gesamte Staffel hinweg eine für das Publikum nachvollziehbare Dramaturgie erzählen", sagt Jörg Graf und ergänzt: "Jede Staffel fängt im Grunde bei null an, das macht es auch für uns redaktionell spannend."

Dabei ist es wichtig, hinter den Kulissen mit erfahrenem Personal zu arbeiten. Die teils angespannte Stimmung zwischen den Teilnehmenden kocht mitunter auch durch den Genuss von alkoholischen Getränken auf – und manchmal über. Erst vor wenigen Tagen wurde durch eine ARD-Recherche ein Vorfall am Set einer Dating-Show bekannt, bei dem ein Produktionsmitarbeiter aber sofort zur Stelle war und eingriff. Die kürzlich ebenfalls durch den RTL-Dschungel bekannte Kim Virginia musste die derzeit bei RTL+ laufende "Prominent getrennt"-Staffel nach einer Handgreiflichkeit verlassen, ebenso erging es Gigi im Vorjahr beim RTL-"Sommerhaus". Das Spiel mit den überbordenden Emotionen, von denen viele der Realitys leben, es ist eben immer auch ein Spiel mit dem Feuer.

Nach insgesamt acht "Are you the One"-Staffeln (Realitystars-Spin-Off inkludiert) sowie allein zehn "Temptation"-Staffeln seit dem Comeback ist auch klar: Das Drehen an kleinen Stellschrauben scheint unvermeidlich, denn Stillstand gilt es zu vermeiden. "Generell findet immer ein reger Austausch mit Lizenzgebern über neue Weiterentwicklungen statt", sagt Graf. "Ex on the Beach" beispielsweise ist keine deutsche Erfindung, sondern debütierte vor ziemlich genau zehn Jahren beim Musiksender MTV. Der Austausch mit den Lizenzgebern läuft offenbar gut. "Manches übernehmen wir und manches passen wir so an, dass es für das deutsche Publikum passt. Grundsätzlich haben wir hier den nötigen Gestaltungsspielraum", sagt Jörg Graf, ohne aber genau ins Detail gehen zu wollen.



Wer sich für das Berufsfeld Reality-Star entschieden hat, der dürfte indes einen ganz anderen Trend wohlwollend verfolgen: Dass sich auch der deutsche Markt zumindest ein Stück weit für andere Sub-Genres öffnet. Noch vor drei oder vier Jahren waren es vor allem die Dating-Klassiker, die solchen Personen offenstanden. Realitys wie "The 50" oder auch jüngst von Joyn probierte Versuche wandelten auf weniger ausgetretenen Pfaden und international ist der Trend hin zu Reality-Strategieshows unverkennbar. Der Reality-Nachschub, für den RTL+ Woche für Woche sorgt, er dürfte auch in der kommenden Zeit nicht ausgehen.