In der vergangenen Woche hat das Medienmagazin DWDL.de über die stark gesunkenen Marktanteile von ProSieben berichtet und darüber, dass Sat.1 nun seit langer Zeit erstmals wieder gute Chancen hat, auf Monatssicht vor ProSieben zu landen. Das derzeitige Quotenniveau von ProSieben und Sat.1 dürfte aber nicht nur den Programmverantwortlichen der Sendergruppe Sorgenfalten auf die Stirn treiben, sondern ganz besonders auch den Vermarktern bei SevenOne Media. In Unterföhring ist man selbst überrascht, mit welcher Geschwindigkeit ProSieben auf seinem derzeitigen Quotenniveau angekommen ist. Sinkende Marktanteile dürften nämlich auf lange Sicht auch sinkende Werbeerlöse mit sich bringen.

Das deutete sich zuletzt bereits an: Im zweiten Quartal des Jahres sank der Umsatz des TV-Werbegeschäfts um zwei Prozent auf 529 Millionen Euro. Das Digitalgeschäft der Sendergruppe wächst immer weiter, während die klassische TV-Werbung schwächelt. Bei ProSiebenSat.1 und SevenOne Media bleibt man offiziell dennoch optimistisch und geht davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälfte deutlich besser laufen wird. Auf DWDL.de-Anfrage sagt ein Sprecher von SevenOne Media, dass in den kommenden Monaten mit einer "Belebung" des Werbemarkts zu rechnen sei. "Auch aufgrund der Vereinbarungen und Gespräche mit unseren Werbekunden und Geschäftspartnern gehen wir von einer positiven Entwicklung für das Gesamtjahr aus." Die ProSiebenSat.1-Gruppe rechnet mit einem Marktwachstum von 1,5 bis 2,5 Prozent.

Zwar kehren bei ProSieben und Sat.1 in den kommenden Wochen einige Formate zurück, die starke Quoten versprechen (u.a. "The Voice"), ob sich ProSieben damit aber wieder bei mehr als zehn Prozent stabilisieren kann, erscheint nach derzeitigem Stand fraglich. Und das würde dann über kurz oder lang auch die Werbeeinnahmen unter Druck setzen. Auch beim Vermarkter weiß man um die Brisanz des Themas. Das Thema Quote habe bei ProSieben und Sat.1 "höchste Priorität", lässt ein Unternehmenssprecher wissen. "Konkret bedeutet das: Investitionen in mehr Erstausstrahlungen, mehr Eigenproduktionen und große TV-Events." Das hatte Sat.1-Chef Kaspar Pflüger ja bereits bei den Screenforce Days angekündigt. Damals erklärte er: "In der kommenden TV-Saison investieren wir deutlich in zusätzliches Programm – für mehr Erstausstrahlungen und spannende TV-Highlights." Das ausgegebene Ziel damals: Wachstum.

"Das Thema Quote hat bei ProSieben und Sat.1 höchste Priorität."

SevenOne Media

Bei SevenOne verweist man aber auch auf die vielen kleinen Sender der Gruppe: "Zusammengenommen kommen unsere vier jüngsten Sender (Sixx, Sat.1 Gold, ProSieben Maxx, kabel eins Doku) im Schnitt auf einen Marktanteil von rund fünf Prozent. Unsere Kunden betrachten das gesamte Sender-Portfolio. Aus dieser Perspektive sehen wir uns bestens aufgestellt." Große Reichweiten in Verbindung mit einer hohen Verweildauer würden zu einem seltenen Gut - und das gebe es nahezu ausschließlich nur noch im TV. Zudem verweist man bei SevenOne auf die Nutzung der TV-Inhalte über die mobilen Sender-Apps: "Noch ist diese Nutzung in den Quotenberichten nicht abgebildet. Bei großen TV-Events zum Beispiel sind das um die fünf Prozent Zusatzreichweite."

Auch RTL-Quoten sinken

Doch nicht nur ProSieben und Sat.1 haben zuletzt mit sinkenden Quoten zu kämpfen gehabt, auch Dauer-Marktführer RTL ist über die Sommermonate hinweg auf einem Niveau angekommen, auf dem man vor gar nicht allzu langer Zeit ProSieben verortet hätte. Und weil Vox bei den Marktanteilen zwar wächst, sich das aber noch nicht in der Vermarktung widerspiegelt, könnte auch IP Deutschland ein Problem bekommen. Geschäftsführer Matthias Dang verweist auf die grundsätzlich gestiegenen Marktanteile der Sendergruppe, sagt aber auch: "Innerhalb eines Portfolios gibt es natürlich Schwankungen und es stimmt, RTL hat Marktanteile verloren." Man müsse sich das aber im Detail ansehen, so Dang. "Und dann zeigt sich, dass davon vor allem die Daytime betroffen ist." Einen Großteil der Werbeeinnahmen erzielen die Sender in der Primetime.

Während ProSieben und Sat.1 unter der Schwäche von US-Serien leiden, sind diese bei RTL nur noch ganz selten zu finden. Stattdessen hat der Sender zuletzt massiv in eigene Fiction investiert, sechs neue Serien starten in den kommenden Monaten - nur bei RTL. Dadurch hat man sich unabhängiger von US-Fiction gemacht. Jetzt müssen die eigenen Inhalte nur noch zünden. Zuletzt hat das bei der Sitcom "Magda macht das schon" wunderbar funktioniert.

"Wir diskutieren für 2018 schon eine deutliche Verschiebung pro Vox."

IP-Deutschland-Chef Matthias Dang

Zu aktuellen Zahlen und Entwicklungen äußert sich Dang derzeit nicht, weil die RTL Group erst am 30. August ihre Quartalszahlen veröffentlicht. Einen Tag später kommen die Zahlen von Bertelsmann. Dass es ihn ärgert, dass Vox bei den Erlösen noch immer weit hinter Sat.1 liegt, obwohl man aus Marktanteils-Sicht schon beinahe auf Augenhöhe agiert, hat Dang in den vergangenen Wochen und Monaten die ganze Branche wissen lassen. Fürs kommende Jahr peilt der IP-Chef eine deutliche Verbesserung der Situation an, er will in den Jahresgesprächen mit den Kunden Druck machen: "Wir diskutieren für 2018 schon eine deutliche Verschiebung pro Vox."

OWM-Kritik sorgt für Diskussionen

Zuletzt mussten sich TV-Sender und Vermarkter aber auch mit deutlicher Kritik der werbungtreibenden Unternehmen auseinandersetzen. Im Juni kritisierte die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) die Entwicklung des Werbemarkts und wies auf eine "schlechte Preis-Leistungsentwicklung" hin. Die Kern-Kritik der Werber: Die Reichweiten gehen seit Jahren zurück, die Unternehmen müssen für TV-Werbung aber trotzdem immer mehr zahlen. "Ein Werbekunde muss heute für die gleiche Kampagne weit mehr ausgeben, um die gleiche Wirkung wie noch vor einigen Jahren zu erzielen. Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck durch nicht-lineare Angebote und globale Player", erklärte OWM-Chef Joachim Schütz damals. Der Verband forderte ein neues Abrechnungsmodell, mehr Transparenz, ein verbessertes Preis-Leistungsverhältnis und den "Ausbau reichweitenstarker, attraktiver Programmumfelder".

Diese Kritik hat für viele Diskussionen innerhalb der Branche gesorgt. SevenOne Media und IP Deutschland betonen, die Kritik des OWM ernst zu nehmen. Große Änderungen hat es bislang aber dennoch nicht gegeben. "Mit dem OWM haben wir entsprechende konstruktive Gespräche geführt, in denen wir die einzelnen Punkte diskutiert haben. [...] Veränderungswünsche, die auf einer tragfähigen Mehrheit beruhen und entsprechend breite Akzeptanz im Markt haben, prüfen wir gerne", heißt es vom ProSiebenSat.1-Vermarkter. Auch Matthias Dang sagt, man stehe im "engen Dialog” mit dem OWM. "Entscheidend für den Kunden ist am Ende, wie der Wirkungsbeitrag ausfällt sowie das Preis-Leistungsverhältnis und der ROI (Return on Investment, Anm.) - und zwar pro Kunde und auf Nettoebene." Eins jedenfalls ist klar: Ein ruhiges zweites Halbjahr wird es für die TV-Vermarkter nicht.