Beinahe hätte man den Eindruck von Harmonie haben können. NDR-Intendant Lutz Marmor plauschte beim Wein angeregt mit VPRT-Präsident Hans Demmel. Festredner Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, nannte die System-Auseinandersetzungen zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten einen "Kampf von gestern".

Doch der Eindruck täuschte. Die gewohnt gute Stimmung beim Berliner Sommerfest des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), diesmal in der niedersächsischen Landesvertretung, hatte wenig mit dem zu tun, was die Verbandsmitglieder einige Stunden zuvor beschlossen hatten.

Sechs Thesen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat der VPRT für die weitere politische Diskussion beschlossen – und die Stoßrichtung ist klar: "Weniger ist mehr!" Man kann das durchaus als Kehrtwende interpretieren, wenn Verbandspräsident Demmel – im Hauptjob Geschäftsführer von n-tv – solche Töne anschlägt. Als er vor einem Jahr ins Amt gewählt wurde, klang er noch ein bis zwei Spuren gemäßigter. Freilich hat sich seither auch manches geändert.

Neben der aktuellen medienpolitischen Diskussion über eine Strukturreform von ARD und ZDF läuft eine weitere über deren künftigen Telemedienauftrag. Die Privatfunker befürchten nicht ganz zu Unrecht, dass die politische Stimmung in den Bundesländern sich inzwischen dahin gedreht habe, den Öffentlich-Rechtlichen bald deutlich mehr als bisher im Digitalen zu gestatten. Sie würden es bevorzugen, wenn die beiden Diskussionen über notwendige Einsparungen und mögliche Ausweitungen nicht getrennt voneinander geführt würden, sondern im engen Zusammenhang.

"Die aktuelle Diskussion um Auftrag und Selbstverständnis von ARD und ZDF geht mit immer weniger Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung für den beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk einher", gab Demmel zu Protokoll. "Sie ist das Ergebnis einer Fehlentwicklung, mit der ARD und ZDF sich systematisch als direkte Wettbewerber zu privaten Medienangeboten ausgerichtet und immer weiter von ihrem ursprünglichen Auftrag entfernt haben." In seiner heutigen Dimension verzerre das öffentlich-rechtliche Angebot den Wettbewerb, behindere die Entwicklung privater Angebote und beschränke damit die Vielfalt zum Nachteil aller.

In dem, was derzeit für eine mögliche Novelle des Rundfunkstaatsvertrags zur Diskussion steht, sieht Demmel gar ein "maximales Bedrohungsszenario". Seitens der Rundfunkreferenten der Länder werden für die Telemedien von ARD und ZDF etwa eine Abschaffung des Sendungsbezugs, eine Verlängerung der Verweildauerfristen im Netz, eine Aufhebung des Abrufverbots für Lizenzprogramme sowie eine flächendeckende Genehmigung der Verbreitung über Drittplattformen wie Facebook oder YouTube in Erwägung gezogen. Das Modell funk lässt grüßen.

"Es würde eine immense Ausweitung der beitragsfinanzierten Angebote im Internet mit weitreichenden Auswirkungen auf den Markt bedeuten", so Demmel. "Diese Entwicklung würde dem Ziel der Beitragsstabilität und Kostenreduzierung eklatant widersprechen und die Legitimationskrise von ARD und ZDF weiter verstärken. Der VPRT appelliert an die Politik, den EU-Beihilfekompromiss und die daraus resultierenden Regelungen nicht in Frage zu stellen. Andernfalls werden wir die Marktverzerrungen durch die beitragsfinanzierten Angebote erneut in Brüssel auf den Prüfstand stellen müssen."

Vier-Punkte-Plan zum Digitalradio-Umstieg

Zudem beschloss der Fachbereich Radio und Audiodienste des VPRT einen Vier-Punkte-Plan zum Digitalumstieg von UKW auf DAB+. "Bei der Diskussion um DAB+ scheint der politische Wille den Point-of-no-Return erreicht zu haben", erläuterte Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs und Geschäftsführer von Radio Regenbogen. "Die Bedenken der privaten Radiounternehmen an einer digitalen Migration des terrestrischen Hörfunks wurden bis dato in der politischen Willensbildung nicht berücksichtigt." Fragen der Finanzierung des Umstiegs, des Erhalts der lokalen, regionalen und landesweiten Vielfalt bis hin zur medienpolitischen Gestaltung eines dualen Rundfunksystems mit gleichen Voraussetzungen für private und öffentlich-rechtliche Radioangebote seien nach wie vor unbeantwortet.

Um ein vergleichbares Gegengewicht zu den rund 620 Millionen Euro zu schaffen, die der öffentlich-rechtliche Hörfunk für den Umstieg auf DAB+ bis 2025 aus dem Rundfunkbeitrag erhält, fordert der VPRT eine öffentlich finanzierte Infrastrukturförderung für die Privatradios – und kalkuliert den Bedarf auf rund 500 Millionen Euro. Dieser Zusatzaufwand sei allein über Werbung nicht zu finanzieren. Bis zum Absinken der tatsächlichen UKW-Nutzung auf unter 10 Prozent dürfe es kein Abschaltdatum geben.

Bei Nachwahlen auf der VPRT-Mitgliederversammlung kürte der Fachbereich Fernsehen und Multimedia Annette Kümmel, Senior Vice President Governmental Relations & Regulatory Affairs von ProSiebenSat.1, zu seiner neuen Vorsitzenden. Als weiterer TV-Vertreter wurde Michael Müller, Chief Distribution Officer von ProSiebenSat.1, in den VPRT-Gesamtvorstand gewählt. Neues Mitglied im Fachbereichsvorstand Radio und Audiodienste ist Sven Thölen, Geschäftsführer von radio NRW. Das Technik- und Innovationsforum im VPRT wählte Judith Haker, Platform Development Specialist von QVC, zur stellvertretenden Vorsitzenden.