CNN ist eine der bekanntesten Medienmarken der Welt - und derzeit in den USA auch eine der meistgehassten. Donald Trump hat den Nachrichtensender zu seinem Lieblingsfeind erklärt und schimpft wann immer er kann auf die CNN-Journalisten. Vor wenigen Wochen postete er bei Twitter ein kurzes Video, das ihn zeigte, wie er am Rande eines Wrestling-Rings einen anderen Menschen niederrang. Der Kopf von Trumps Gegner war durch ein CNN-Logo ersetzt. Fernab der täglichen Auseinandersetzung mit dem US-Präsidenten ist der Nachrichtensender aber recht erfolgreich unterwegs - nun will man auch im Digitalbereich wachsen und investiert massiv.

Zuletzt investierte der Konzern 40 Millionen Dollar in das erst 2015 gestartete Portal "The Great Big Story". Zu den Gründern zählte damals auch Andrew Morse, Digitalchef von CNN Worldwide und Vicepresident von CNN US. Morse ist es auch, der die Digitalentwicklung von CNN heute entscheidend vorantreibt. Sein Augenmerk liegt derzeit darauf, "The Great Big Story" auszubauen. Derzeit  besteht das Portal vor allem aus Youtube-Videos, die mal relativ kurz sind und mal wie kleine Dokumentationen daherkommen. Morse will das Portal zu einem 24-Stunden-Streamingdienst machen. Neben der VoD-Funktion soll es also auch einen linearen Kanal geben, auf dem die vielen verschiedenen Filme laufen sollen.


Inhaltlich hat sich "The Great Big Story" völlig anders positioniert als CNN selbst. Es geht nicht um klassisches Nachrichtenfernsehen, sondern um möglichst spannende und interessante Geschichten aus der ganzen Welt. "Es geht um Storytelling, wir wollen überraschende und einzigartige Geschichten erzählen", sagt Andrew Morse im Gespräch mit DWDL.de. Die Geschichten reichen von einem zweieinhalb Minütigen Video über die Geschichte des Kinderbuches "Coco" ("Curious George"), dessen Erfinder vor den Nazis fliehen mussten, bis hin zu einem halbstündigen Film über einen jungen norwegischen Bergsteiger, der den Mount Everest bestieg.

Der lineare Sender soll im kommenden Jahr on Air gehen, sagt Digitalchef Morse. "Wir arbeiten gerade am Programmplan und dem zeitlichen Ablauf." Neben dem US-Portal gibt es auch kleinere Ableger in Schweden und Spanien - auch ein deutschsprachiges "The Great Big Story" kann sich Andrew Morse grundsätzlich vorstellen. "Wir würden uns freuen, The Great Big Story Deutschland zu machen, wenn wir den richtigen Partner finden", sagt er. Durch die Neuausrichtung könnte sich auch schon bald das Geschäftsmodell der Seite ändern: Wo derzeit noch viel über Kooperationen gemacht wird, könnte künftig auch ein B2C-Modell nach dem Vorbild von Netflix stehen. Das hieße, User müssten gegen eine monatliche Gebühr für den Zugang zahlen. Man spreche auch mit klassischen TV-Sendern, die an den Inhalten interessiert seien und mit Vertriebspartnern, die den neuen Kanal künftig im Paket mit anderen Sendern anbieten könnten. Man schaue sich derzeit verschiedene Modelle an und prüfe jedes einzelne sehr genau, sagt Morse.

"Beme": Nachrichtlich, aber für die Generation Youtube

Ein weiteres Digitalprojekt ist "Beme": Ende des vergangenen Jahres soll CNN für das Start-Up des Youtubers Casey Neistat rund 25 Millionen Euro auf den Tisch gelegt haben. CNN hatte aber nur Interesse an Technik und Team, der Dienst wurde eingestellt. Seither arbeitet Neistat am Nachfolger - der kurioserweise auch "Beme" heißen wird. "Wir haben 200 andere Namen ausprobiert und sind dann zu dem Entschluss gekommen, dass 'Beme' doch der richtige ist", gibt Morse offen zu. Inhaltlich angesiedelt wird das neue "Beme" irgendwo zwischen CNN und "The Great Big Story". Es geht schon eher um Nachrichten, aber nicht tagesaktuell.

Auf dem Youtube-Kanal "Beme News" sind schon rund 20 Videos zu finden: Unter anderem gibt es eine Reportage aus dem Gebiet, das zuletzt von Hurrikan Harvey zerstört wurde. Die jungen Medienmacher blicken zurück auf das iPhone und wie es den Handymarkt verändert hat und lassen einen Nordkorea-Experten Userfragen beantworten. Das alles, und noch viel mehr, wie etwa eine tägliche News-Show bei Snapchat, will CNN künftig forcieren, um junge User zu erreichen. Schon heute ist CNN bei den jungen Usern aber ziemlich gut unterwegs. Laut comScore erreichte das gesamte CNN-Netzwerk im August 2017 in den USA 46 Millionen Unique User im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. Damit lag man unter anderem vor "Buzzfeed" (42 Millionen), NBC News (37 Millionen) und der "New York Times" (34 Millionen).

Wir müssen die Marke schützen und dem Altersunterschied zwischen den verschiedenen Angeboten gerecht werden, deswegen heißen die Plattformen anders.

Andrew Morse, Digitalchef CNN

Auffällig: Mit "The Great Big Story" und "Beme" haben die beiden Prestige-Projekte des Konzerns nicht CNN im Namen. Ist die Marke vielleicht zu angestaubt für die junge Generation und damit ungeeignet, um Menschen unter 30 zu erreichen? Andrew Morse sagt gegenüber DWDL.de: "Ich glaube nicht, dass die Marke CNN zu unsexy für die jungen Menschen ist." Es gebe eine Reihe von Gründen für das Fehlen des Namens CNN bei den Digitalprojekten. "CNN-Zuschauer kommen aus einem Grund zu uns und das sind Nachrichten. Wir müssen die Marke schützen und dem Altersunterschied zwischen den verschiedenen Angeboten gerecht werden, deswegen heißen die Plattformen anders." Morse rechnet vor: Der durchschnittliche CNN-Zuschauer in den USA sei 58. Die User der Webseite 48 und die der mobilen Seite 38. "The Great Big Story" erreicht laut Morse vor allem Menschen, die im Schnitt 28 Jahre alt sind. Anstatt CNN in etwas zu verwandeln, das es nicht sei, habe man die neuen Unternehmen gegründet - "The Great Big Story" und "Beme" können in ihrer Zielgruppe laut Morse authentischer sein als CNN.

Wie aber kann es sein, dass CNN an dieser Stelle davon spricht, seine Marke schützen zu wollen, an anderer Stelle seine Marke mit CNN Style, CNN Travel und CNN Tech stark verwässert? "Das ist immer eine Gratwanderung. Bei 'The Great Big Story' glauben wir, dass manche Nutzer die Marke CNN vielleicht gar nicht kennen. Bei den anderen Rubriken wie etwa CNN Style erhoffen wir uns verstärkte Überschneidungen mit den Zielgruppen der Hauptmarke", sagt Andrew Morse. Zeitungen hätten ja auch Food- und Gesundheits-Rubriken, sagt Morse. "Warum sollten wir das nicht also auch haben? Die Herausforderung wird sein, genügend Leute zu finden, die sich für solche Inhalte interessieren, auch wenn sie nicht der Kern von CNN sind. Und wenn sie einmal da sind, kann an ihnen auch die Nachrichtenmarke CNN näherbringen."

Augmented Reality & Donald Trump

Und was glaubt der CNN-Digitalchef wird das "nächste große Ding" im Journalismus? Andrew Morse setzt vor allem auf eine Technologie: "Das ist schwer vorherzusagen, aber ich glaube Augmented Reality wird das nächste große Ding." Morse verweist vor allem auf die massiven Investitionen, die Apple gerade erst in diesem Bereich getätigt hat. Bei der Vorstellung der neuen iPhones hatte Apple unter anderem auch einige AR-Features angekündigt, so will man die digitale mit der realen Welt künftig verschmelzen. "Durch Augmented Reality werden Geschichten ganz anders erlebbar, das Storytelling wird persönlicher", so Morse.

Doch wie lebt es sich nun wirklich als Journalist und CNN-Manager in einem Land, in dem der mächtigste Mann der Welt regiert und regelmäßig Journalisten verunglimpft? Andrew Morse ist bemüht, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. "Wir leben in angespannten Zeiten, aber ich glaube das geht nicht nur Journalisten so. Es ist insgesamt weniger zivilisiert als es früher einmal war. Dennoch ist das faszinierend", sagt er. Die Aufgabe der Journalisten habe sich nicht verändert - sie müssten Geschichten erzählen und aufdecken. "Es macht keinen Unterschied, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Zwischen Journalisten und dem Präsidenten war es nie einfach." Es sei derzeit eine goldene Zeit für Journalisten - das habe aber nichts mit Donald Trump zu tun. Morse: "Präsidenten sind nicht gut oder schlecht für den Journalismus."