"Surival of the Fittest?" - mit dieser Frage wurde der diesjährige TV-Gipfel bei den Medientagen München überschrieben. Angesichts einer zunehmenden Fragmentierung des Marktes und neuer Konkurrenten wie Netflix und Amazon stellt sich für die klassischen Fernsehsender mehr denn je die Frage, wie sie mithalten wollen, zumal sich die Sehgewohnheiten des Publikums verändert haben. "Wir alle merken, dass immer weniger Zuschauer ihren Tag aus Gewohnheit, Trägheit und gelernten Sendeplätzen ausrichten", sagte Vox-Geschäftsführer Bernd Reichart, dessen Sender aktuell gegen den Trend von sinkenden Quoten verschont bleibt.
Gleichzeitig erziele man mit Highlight-Formaten wie "Die Höhle der Löwen", "Sing meinen Song" oder "Club der roten Bänder" aber die höchsten Reichweiten der Sender-Geschichte. Die Zuschauer schalten also offensichtlich inzwischen viel gezielter ein als noch vor ein paar Jahren. Dennoch habe sich die Voraussetzungen für Fernsehmacher gar nicht so stark verändert. "Wenn man den Nagel auf den Kopf trifft, dann zeigt sich das linear und non-linear", sagte Reichart. "Da brummt es dann auf allen Plattformen."
Ähnlich sieht das auch Katja Hofem. "Content ist am Ende der Kraftstoff, der alle Plattformen zum Laufen findet", betonte die COO von ProSiebenSat.1 TV Deutschland, die zwar keinen Abgesang aufs Free-TV machen wollte, aber sich der Auffassung ihres Vorstandsvorsitzenden Thomas Ebeling anschloss. "Wir liegen unter unseren Fähigkeiten", räumte die Fernsehmanagerin mit Blick auf die gesunkenen Quoten der Flaggschiff ProSieben und Sat.1 ein und sprach von "ein paar falschen Entscheidungen", die getroffen worden seien. "Das Schöne ist, dass wir die Fähigkeiten haben, das wieder umzudrehen."
Letztlich gebe es bei jedem Sender eine Achterbahnfahrt der Quoten, sagte Hofem, äußerte aber gleichzeitig die Hoffnung auf Besserung. "Man sieht ja, was ein Lucky Punch bei einem Sender verändern kann, darauf arbeiten wir gezielt hin", betonte sie und äußerte gleichzeitig Respekt für die jüngsten Erfolge von Vox. "Wir hätten sehr gerne Formate, wie sie Vox gerade hat. Aber auch deren Lebenszyklus geht einmal zu Ende." Davon ist aktuell allerdings noch nichts zu spüren. Im Gegenteil: "Die Höhle der Löwen" fuhr gerade erst Rekord-Quoten ein und die finale "Club"-Staffel dürfte bald ebenfalls noch einmal große Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Offen zeigte sich Vox-Chef Bernd Reichart hinsichtlich der Verbreitung von Inhalten über VoD-Plattformen. So sei geplant, die ersten beiden Folgen von "Club der roten Bänder" vorab bei TV Now zur Verfügung zu stellen. Als "große Herausforderung" bezeichnete er allerdings die Frage, wie es in Zukunft gelingen kann, non-lineare Kontakt ähnlich clever zu finanzieren wie die guten alten Werbebreaks im Fernsehen. Noch hält ProSiebenSat.1-COO Katja Hofem das lineare Fernsehen jedoch für den "aboluten Treiber", wie sie beim TV-Gipfel sagte, "da sind die Erlöse am allergrößten und am wichtigsten."
Das werde sich über die Jahre allerdings verändern, prognostizierte Hofem. "Das Wichtigste ist, dass man gut aufgestellt ist", so die TV-Managerin. Eine Veränderung, auf die sich auch der Bayerische Rundfunk einzustellen versucht, wie BR-Fernsehdirektor Reinhard Scolik ausführte. "Wir versuchen anders zu denken", sagte er bei den Medientagen München. Es gehe darum, wie man die eigenen Inhalte möglichst gut über viele Ausspielwege hinweg an die Zuschauer herantragen kann. Als Beispiel nannte er "Hindafing", eine für den Sender eher untypische Produktion, die man zuerst in der Mediathek veröffentlicht hat.
"Wenn sich jemand für Facebook entscheidet – ich werde es nicht verhindern können."
Olaf Schröder, Sport1
Wie sich der Fernsehmarkt verändert hat, zeigt der Blick in den Sportbereich, wo Discovery in den vergangenen Jahren massiv in Rechte investiert hat. Nach Angaben von Discovery-Deutschland-Chefin Susanne Aigner-Drews geht es nun darum, den Zuschauern die Inhalte über möglichst viele Wege anzubieten, um den verschiedenen Sehgewohnheiten gerecht zu werden. Mit erstklassigen Rechten wie der Bundesliga oder der Formel 1, an der Netflix neuerdings Interesse zeigt, will Olaf Schröder derweil nichts zu tun haben. "Das überlasse ich gerne den großen Playern", sagte der Vorsitzende der Sport1-Geschäftsführung, der neuerdings auch an der Spitze von Constantin Medien steht.
Dass sich inzwischen auch globale Unternehmen um Sportrechte bemühen, sieht Schröder vergleichsweise gelassen: "Wenn sich jemand für Facebook entscheidet – ich werde es nicht verhindern können", sagte er und verwies auf die schwierige Refinanzierbarkeit. Kürzlich sei er auf der Sportrechte-Messe gewesen, erzählte Schröder. "Da sind Experten im Geldausgaben, sie tragen nur nicht die Verantwortung im Geldeinnehmen."