In den vergangenen Jahren hat RTL die Investitionen in eigene fiktionale Inhalte deutlich nach oben geschraubt. Die ersten Ergebnisse konnte man 2017 sehen, auch für dieses Jahr ist neben den bereits gezeigten und anstehenden Serien auch noch eine neue Daily Soap angekündigt. Im Interview mit dem Branchenmagazin "Horizont" hat RTL-Chef Frank Hoffmann darüber gesprochen, warum man gerade jetzt so viel investiert.

"Neue, serielle Programme zu setzen, ist natürlich schwieriger denn je. Man braucht noch mehr Geduld und noch mehr Arbeit im Vorfeld. Wir gehen dieses hohe Investment und das damit verbundene Risiko bewusst ein", so Hoffmann. Man mache das, weil es ganz entscheidend sei für die Entwicklung in den nächsten fünf bis zehn Jahren. "Davon ist unser Handeln derzeit geprägt. Wir haben jetzt die Chance, noch Sehgewohnheiten zu schaffen oder zu verändern. Das wird, angesichts des wachsenden Wettbewerbs, immer aufwendiger", sagt Hoffmann, der damit auch auf die wachsende Konkurrenz durch Amazon und Netflix anspielt.

Angst vor den neuen US-Konkurrenten hat man in Köln aber nicht. Bereits im Februar sagte Hoffmann im DWDL.de-Interview: "Ich mache mir aber keine Sorgen um das Free-TV. Uns wird durch neue Konkurrenten von außen hin und wieder die Verteidigungsrolle zugesprochen, dazu sage ich gern und klar: Angriff ist die beste Verteidigung. Wir sind sehr aktiv und werden uns im Wettbewerb um Aufmerksamkeit nicht die Butter vom Brot nehmen lassen." Er habe heute so viel Budget wie noch nie in der Geschichte des Senders zur Verfügung, so Hoffmann gegenüber "Horizont". Man müsse jetzt die Weichen für die Zukunft stellen.

Vor allem seine Daytime will RTL bekanntlich verändern. Neben der bereits angekündigten Daily-Soap wurden auch zahlreiche andere Programme pilotiert, ab Herbst sollen eine Reihe von neuen Formaten starten. Man habe auch noch "einiges in der Hinterhand", falls neue Sendungen nicht funktionieren sollten. "Wir setzen dabei auf Sendungen, die auch bei der Werbewirtschaft inhaltlich auf noch größere Akzeptanz stoßen könnten", sagt Hoffmann und meint damit offenbar weniger Scripted Realitys mit Geschrei und Polizei und mehr Themen, die näher an den Menschen sind - wie etwa "Hebammen im Einsatz", das derzeit vor "Punkt 12" läuft, sich aber noch meist sehr schwer tut.

In Bezug auf den Dienstagabend will Hoffmann einen langen Atem beweisen. Das sagte er bereits gegenüber DWDL.de: "Sehgewohnheiten, etwa bei der Etablierung unseres neuen Serien-Dienstags, sind nicht von heute auf morgen zu ändern. Mir ist daher auch das große Bild wichtig. Bei der Betrachtung am Ende ist nicht entscheidend, ob dem Maler zwischendrin mal ein Pinselstrich daneben ging." Die neue Serie "Jenny - Echt gerecht" erzielte im Schnitt 10,0 Prozent Marktanteil, musste teilweise aber auch gegen die Champions League im ZDF antreten. Nun sagt Hoffmann, dass man Geduld brauche, um einen neuen Dauerbrenner zu kreieren. Mit der Qualität der neuen Serien sei man jedenfalls "hochzufrieden". Zudem seien viele US-Serien-Fans nicht begeistert davon gewesen, dass man den Dienstag für deutsche Serien freigeräumt habe. "Es braucht seine Zeit, bis ein solcher Umbau seine Zuschauer findet."

Im "Horizont"-Interview äußert sich Frank Hoffmann auch über die Kritiker seines Senders und sagt, dass diese das aktuelle Programm von RTL überhaupt nicht kennen würden. "Ich glaube, dass viele, die ein leicht angestrengtes Verhältnis zu uns haben, RTL lange nicht geschaut haben und dass ihre Meinung vom Hörensagen geprägt ist." Mit dem Begriff "Unterschichtenfernsehen" kann Hoffmann jedenfalls nichts anfangen: "Das halte ich für eine Arroganz gegenüber Menschen, die auch nachmittags Zeit für Fernsehen haben."