Trotz strahlendem Frühsommerwetter waren die Kinos ähnlich gut gefüllt wie die Parks und Fußgängerzonen der nordfranzösischen Universitätsstadt Lille. Drinnen sorgten die Weltpremieren von TV-Serien wie "Arthurs Gesetz" aus Deutschland, "Il Miracolo" aus Italien oder "Ad Vitam" aus Frankreich für reges Interesse. Ein deutliches Zeichen, dass Europas größtes Serienfestival nach acht Jahren in Paris erfolgreich an seinem neuen Standort angekommen ist.

Dort fiel alles ein paar Nummern größer aus als zuvor, was die Séries Mania vor allem der konzertierten Förderung von Staat, Region und Kommune zu verdanken hatte. Parallel zum Publikumsfestival trafen sich 2.010 Fachbesucher aus 40 Ländern zum Industrieforum, das inzwischen einen der weltweit wichtigsten Marktplätze für neue Serienprojekte bildet. Wie schon 2017 räumte im offiziellen Wettbewerb erneut eine israelische Serie ab: "On the Spectrum" von Dana Idisis und Yuval Shafferman bekam am Wochenende den Grand Prix der Jury verliehen.

Drei junge Autisten, die zusammen in einer mehr oder weniger chaotischen WG leben und die Höhen und Tiefen ihres Alltags meistern müssen, stehen im Mittelpunkt von "On the Spectrum". Die zwölfteilige Dramedy zeichnet sich durch warmherzigen Humor und einen angenehm lapidaren Umgang mit dem Zustand ihrer Hauptfiguren aus. Das überzeugte die fünfköpfige Fachjury unter Vorsitz von "Narcos"-Creator Chris Brancato, der auch die deutsche Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader angehörte. Ihren Spezialpreis vergab die Jury an die italienisch-französische Koproduktion "Il Miracolo" von Niccolò Ammaniti, die in diesen Tagen bei Sky Italia startet und in den nächsten Monaten auch bei Arte läuft. Der bewegende Mystery-Achtteiler erzählt vom Fund einer Marienstatue, die echtes Blut weint, daher vom Geheimdienst unter Verschluss gehalten wird und das Leben der Eingeweihten vom italienischen Ministerpräsidenten bis zum spielsüchtigen Pfarrer auf den Kopf stellt. Tommaso Ragno, der Darsteller des Pfarrers, erhielt den Preis als bester Schauspieler, die Russin Anna Mihalkova als beste Schauspielerin für "An Ordinary Woman".

Der Publikumspreis der Séries Mania für das beliebteste Werk des ganzen Festivals ging an die Amazon-Serie "The Marvelous Mrs Maisel". Über die beste französische Serie im Wettbewerb hatte eine internationale Kritiker-Jury zu entscheiden und bepreiste den Arte-SciFi-Thriller "Ad Vitam" von Thomas Cailley und Sébastien Mounier. Eine internationale Blogger-Jury wiederum zeichnete im Segment "International Panorama" die britsche Channel-4-Miniserie "Kiri" von Jack Thorne aus. Einer ihrer Mitbewerber war die von Benjamin Gutsche geschriebene und von der Beta-Film-Tochter good friends produzierte TNT-Comedy-Serie "Arthurs Gesetz". Zwar keinen Preis, aber dennoch gute Neuigkeiten hatten die good-friends-Chefs Nataly Kudiabor und Moritz von der Groeben in Lille: Sie haben die deutschen Remake-Rechte am schwedischen Dramedy-Hit "Bonus Family" erworben und befinden sich in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem deutschen Sender.

16 neue Serienprojekte im Entwicklungsstadium hatte das Festivalteam aus 370 Einreichungen für die "Co-Pro Pitching Sessions" ausgewählt. Deren Macher waren auf der Suche nach Koproduktionspartnern, Sendern oder Vertrieben und hofften auf ähnliche Erfolge wie "Liar", "Jordskott", "Tabula Rasa" oder "Stella Blomkvist", die in den vergangenen Jahren auf der Séries Mania gepitcht worden waren. Als Genre-Trends seien dieses Jahr gesellschaftskritische SciFi-Stoffe, noch mehr Spionagethriller sowie eine gewisse Hinwendung zu hintergründiger Comedy erkennbar, so Festivaldirektorin Laurence Herszberg.

We Got This! – Schiaffino Musarra© Banijay Rights
Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung für den besten Projektpitch vergab eine Experten-Jury unter Vorsitz von Gaumont-Vizechef Christophe Riandee an "We Got This!", eine ungewöhnliche Mischung aus satirischer Comedy und Thriller von der schwedischen Banijay-Tochter Jarowskij. Der amerikanisch-schwedische Creator Schiaffino Musarra (Foto) will darin die Verschwörungstheorien um die bis heute nicht aufgeklärte Ermordung von Schwedens Ministerpräsident Olof Palme im Februar 1986 aufgreifen. Die Handlung des geplanten Sechsteilers: Ein notorisch verschuldeter Amerikaner in Stockholm will seine Geldsorgen loswerden, indem er die vom Staat ausgeschriebene 50-Millionen-Kronen-Belohnung für die Lösung des Mordfalls kassiert. Mit einer Truppe liebenswerter Loser macht er sich an die Detektivarbeit.

Als krönender Abschluss des Festivals lief in Lille die Frankreich-Premiere der Sky-ARD-Mammutserie "Babylon Berlin". Der Pay-TV-Sender Canal+ hat die Rechte unlängst vom Vertrieb AB International Distribution, einer Tochter der französischen Mediawan-Gruppe, erworben und wird die ersten beiden Staffeln voraussichtlich im Herbst ausstrahlen.