In Österreich fordern einige Politiker und ORF-Stiftungsräte schon seit Jahren bestimmte Social-Media-Richtlinien für die Journalisten des Senders. Jetzt, nachdem die schwarz-blaue Regierung die Mehrheit im Stiftungsrat und damit dem höchsten ORF-Gremium hat, könnten diese Regelungen bald tatsächlich kommen. Ein erster Entwurf ist nun durchgesickert und von der Tageszeitung "Der Standard" veröffentlicht worden.

In dem Entwurf heißt es unter anderem, dass ORF-Mitarbeiter eine "besondere Verantwortung" dafür tragen würden, dass "ihre Meinungsbekundungen in sozialen Medien keine Zweifel an der integren und rechtskonformen Aufgabenbesorgung durch sie in den Sendungen und Angeboten des ORF oder an der Glaubwürdigkeit des ORF aufkommen lassen". Mitarbeiter des ORF sollten es daher künftig unterlassen, Äußerungen zu tätigen, die als "Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und ‘Polemik’ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind."

Öffentliche Äußerungen in sozialen Netzwerken, die eine "voreingenommene, einseitige oder parteiische Haltung zum Ausdruck bringen", seien zu unterlassen. Das gelte nicht nur für eigene Tweets etwa auf Twitter, sondern auch für Likes, Retweets oder Shares. Das gelte auch für Social-Media-Eintragungen im "privaten Umfeld". Seit Dienstagabend wird in den sozialen Medien und im ORF selbst heftig über den Entwurf diskutiert. Auch Jan Böhmermann schaltete sich bereits ein und holte noch einmal zwei Tweets von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hervor, die nach den neuen Regelungen so wohl nicht mehr erlaubt wären.

Eine konkrete Bewertung könne nur im Einzelfall erfolgen, heißt es in dem Entwurf. "Im Zweifel ersuche ich darum von einer Meinungsäußerung Abstand zu nehmen", so Wrabetz. Gegenüber dem "Standard" teilte der ORF auf Anfrage mit: "Die angekündigten Social-Media-Guidelines des ORF liegen nun im Entwurf vor und orientieren sich an internationalen Vorbildern wie etwa jenen der 'New York Times'. Im Mittelpunkt steht die Absicherung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität und Äquidistanz des ORF."

Kritik kommt derweil vom Betriebsrat. Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser etwa sagt: "Was hier vorliegt und was ich etlichen Stimmen aus dem Haus entnehmen kann, scheint das ein Kniefall des amtierenden Generaldirektors vor den schwarz-blauen Wünschen und Diktaten gegenüber ORF-Journalisten zu sein." Zuletzt setzte die schwarz-blaue Regierung mit ihrer neuen Mehrheit im Stiftungsrat auch einige hochrangige Personalien durch bzw. ließ sie von Wrabetz durchsetzen. Gudrun Stindl, Betriebsrätin des ORF-Radios, geht derweil davon aus, dass die Richtlinien "noch überarbeitet werden."