"Ein 17-Jähriger, der von einer 37-jährigen attraktiven Frau zum Sex, na, sagen wir, überrumpelt wurde, von dem sollte man annehmen, dass er ihr später ein Dankschreiben schickt." Mit diesem Satz beginnt eine Kolumne, die am Mittwochabend auf der Webseite der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" erschienen ist. Der Autor Hans Rauscher beschäftigte sich in dem Text mit Asia Argento, einer der führenden Frauen der #MeToo Bewegung. Argento sieht sich mittlerweile auch mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Sie soll den Schauspieler Jimmy Bennett vor einigen Jahren sexuell missbraucht haben, Bennett war damals 17 Jahre alt.

In den Kommentaren unter der Kolumne gab es schnell Kritik, mittlerweile sind mehr als 800 Postings zusammengekommen. Rauscher änderte daraufhin noch am Mittwochabend die betreffende Stelle, am Anfang des Artikels heißt es nun: "Ein 17-Jähriger, der von einer 37-jährigen attraktiven Frau zum Sex, na, sagen wir, überrumpelt wurde, von dem sollte man annehmen, dass er anders reagiert, als es dieser Jimmy Bennett jetzt getan hat." In dieser Version ging die Kolumne dann auch in den Druck und erschien so in der Donnerstagsausgabe der Tageszeitung. Doch auch an der neuen Formulierung gibt es Kritik, impliziert sie doch auch, dass Bennett, ein mutmaßliches Opfer eines sexuellen Missbrauchs, damit doch eigentlich sehr glücklich sein müsste.

"Standard"-Kolumnist Rauscher kommt in seinem Text noch auf die Klage zu sprechen, in der Bennett von Argento 3,5 Millionen Dollar fordert ("Fast so viel kriegt man in den USA, wenn man im Diner heißen Kaffee über den Schritt geschüttet bekommt.") und bezeichnet Bennett als "relativ erfolglosen Schauspieler". Am Ende kommt Rauscher zum Schluss, dass Argento "nur ein Opfer von vielen" sei. Dass sie vielleicht auch Täterin war, ändere daran nichts.

Gegenüber DWDL.de sagt Hans Rauscher: "In der Kolumne ging es darum, dass durch den Vorwurf von Bennett an Argento die Bedeutung von #metoo nicht relativiert werden dürfe. An der Reaktion zahlreicher Leser im Forum habe ich aber gemerkt, dass meine Formulierung mit dem ‘Dankschreiben’ als unangemessen empfunden wurde. Ich habe das zur Kenntnis genommen und den  Fehler noch am selben Abend korrigiert. Dies habe ich auch mit einem Hinweis kommuniziert". In den Kommentaren zum Artikel erklärte Rauscher noch, der Part mit dem "Dankschreiben" sei "vielleicht zu salopp formuliert" gewesen. "Aber eine andere Reaktion als eine Millionenklage wäre auch denkbar gewesen". Rauscher ist 73 Jahre alt und ständiger politischer Kolumnist beim "Standard", seit mehr als 20 Jahren schreibt er für die Zeitung. Zwischen 1992 und 1996 war er Chefredakteur des "Sonntagskurier". "Standard"-Chefredakteur Martin Kotynek hat eine DWDL.de-Anfrage zum Thema unbeantwortet gelassen.

Auch bei "Spiegel Online" ist am Donnerstag ein Kolumnentext von Jan Fleischhauer zu Asia Argento und Jimmy Bennett erschienen. Unter der Überschrift "Kann eine Frau einen Mann vergewaltigen?" heißt es darin unter anderem: "Ich kann mir nicht helfen, aber das erste, was ich dachte, als ich die Schilderung der Ereignisse las, die nun als gravierender Missbrauchsfall gelten, war: Und dafür hat der Junge im Nachhinein Entschädigung verlangt? Die meisten 17-Jährigen würden es als Glücksfall empfinden, wenn sie eine ältere Frau von den hormonellen Verstörungen befreien würde, die mit der Spätpubertät einhergehen. Wir reden hier nicht von einem Kind. Wir reden von einem Fast-Erwachsenen, also jemandem, der in Deutschland ganz legal Sex haben dürfte, auch mit jemand deutlich älterem."

Auch der Text von "Spiegel Online" liest sich so, als könnten Männer eigentlich gar nicht vergewaltigt werden - erwachsene Männer schon mal gar nicht. Zur Erinnerung: Die beiden Schauspieler kennen sich schon sehr lange, als Bennett sieben Jahre alt war, spielte er Argentos Sohn im Film "The Heart is Deceitful Above All Things", sie führte damals auch Regie.