Seit Monaten diskutiert die deutsche Medienbranche, wie man den großen US-Konzernen Paroli bieten kann. Dabei stehen vor allem Investitionen in Online-Plattformen im Fokus, dazu wollen verschiedene Medienkonzerne künftig zusammenarbeiten. Der neue ProSiebenSat.1-Chef Max Conze kündigte zuletzt etwa einen "deutschen Champion" an. ARD-Intendant Ulrich Wilhelm plädiert seit einigen Monaten für eine verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, vor einigen Tagen hat er dem "Handelsblatt" ein Interview gegeben und dabei von einem "europäischen Youtube mit Elementen von Facebook" gesprochen.

Um genau dieses Projekt ging es nun auch auf dem TV-Panel bei den Österreichischen Medientagen in Wien. Warnende Worte kamen dabei von Vaunet- und n-tv-Chef Hans Demmel. Der sagt, aus politischer Sicht, seien die Ankündigungen von Wilhelm genial. "Man tut sich da ja erst einmal schwer, nein zu sagen." Dennoch gebe es viele offene Fragen. Demmel sieht zwei Probleme: Zum einen der von Wilhelm angeführte Vergleich mit Airbus. Dieser Konzern sei ein Konglomerat aus Industriekonzernen. Bei einer geplanten, europäischen Medienplattform seien die Voraussetzungen durch Öffentlich-Rechtliche und Private aber andere. Außerdem warnt Demmel ganz explizit vor Begriffen wie "europäisches Youtube". Demmel: "Wir müssen über Inhalte reden und nicht über Plattformen." Youtube sei nicht deshalb so erfolgreich, weil es dort so viel Kultur gebe. Youtube bestehe vor allem aus User Generated Content. "Der Begriff ‘europäisches Youtube’ ist gefährlich", sagt der Vaunet-Chef. Er wolle die Pläne allerdings nicht kleinreden oder abtun, auch bei der Mediengruppe RTL sei man offen für Gespräche. "Aber wir reden gerade unser Mediensystem klein."

ZDF-Intendant Thomas Bellut zeigte sich am Mittwoch in Wien pragmatisch und erklärte, man wolle die US-Plattformen nicht verteufeln. Man sei mit verschiedenen Sendungen auf Facebook und habe mit dem Unternehmen gewisse Regeln vereinbart. "Damit können wir leben. Wir gehen dahin, wo die jungen Zuschauer sind." Dennoch wolle man auch mit ProSiebenSat.1 und der Mediengruppe RTL über deren angekündigten VoD-Projekte sprechen. Trotzdem sei man derzeit mehr damit beschäftigt, aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Bellut meint damit den Journalismus, der grundsätzlich unter Beschuss steht. "Wir versuchen, mit sehr präziser Arbeit ein Gegengewicht zu setzen." Gemeinsame europäische Projekte sieht Bellut in weiter Ferne. "Wir arbeiten gerade daran, die Online-Angebote des ZDF zu verbessern."

Dem Eindruck, aktuelle Probeleme seien gerade wichtiger als eine künftige VoD-Plattform, versuchte Ulrich Wilhelm entgegenzuwirken. "Jeder macht sein Alltagsgeschäft, auch ich stehe in operativer Verantwortung", so der ARD-Intendant. Zusätzlich müsse man aber eine Option erarbeiten, weil man bei den "amerikanischen Monopolisten" an Grenzen stoße. Wilhelm vertiefte dann auch noch einmal seine Idee eines "europäischen Youtube" und erklärte, dass man derzeit keine Alternative zu den amerikanischen Plattformen habe. "Wer eine große Öffentlichkeit erreichen will, muss auf sie setzen." Auf diesen Portalen würden jedoch zugespitzte Inhalte gefördert und besonders herausgestellt. "Dafür zahlen wir einen Preis", so Wilhelm, der Google, Facebook & Co. nicht ersetzen, sondern eine Alternative anbieten will.

Die drei deutschen Vertreter auf dem TV-Panel diskutierten mit ORF-Chef Alexander Wrabetz, ProSiebenSat.1Puls4-Geschäftsführer Markus Breitenecker und der stellvertretenden SRG-Generaldirektorin Ladina Heimgartner. Die einzige Frau in der Runde erklärte, die SRG wäre auch gerne bei einem europäischen VoD-Projekt dabei. Zuvor stellte Ulrich Wilhelm noch klar, dass "europäisch" nicht zwangsläufig "EU" bedeute.

Wrabetz und Breitenecker zeigten sich ebenfalls offen für den Vorschlag von Ulrich Wilhelm. Wrabetz plädierte dafür, Deutschland und Frankreich sollten hier vorweg gehen. Breitenecker erklärte, man müsse auch berechtigte Kritik ernst nehmen. Aber überhaupt etwas zu tun sei besser, als abzuwarten. Gleichzeitig warnte Breitenecker davor, dass nun jeder seinen eigenen Player erschafft und in "Sonntagsreden" alle anderen Unternehmen dazu einlädt. Ein solches Projekt könne nur gelingen, wenn es gemeinschaftlich entstünde. Später verloren sich beide in österreichischen Gebührendiskussionen: Der ProSiebenSat.1Puls4-Chef schlug vor, der ORF solle seine Werbeeinnahmen dazu nutzen, um gemeinsame Digital-Projekte voranzutreiben. Wrabetz wollte sich natürlich nicht vorschreiben lassen, wofür er die Einnahmen, egal ob aus Gebühren oder Werbung, verwendet.

Hans Demmel zeigte sich beim Thema Gebühren derweil froh, dass man bei n-tv ohne auskomme und sich entsprechend auch nicht den strengen Regeln mit etwa Aufsichtsgremien beschäftigen müsse. Bellut warnte unterdessen vor dem Vorschlag von ProSiebenSat.1-Co-CEO Conrad Albert, der zuletzt immer wieder Rundfunkgebühren für "Public Value"-Inhalte forderte. "Ich würde diese Büchse der Pandora aus Sicht der Privaten nicht öffnen", so der ZDF-Intendant, der erklärte, man könne da keine eindeutigen Grenzen ziehen. Bekommen die Privaten Gebührengelder, würden sich die Zeitungen vielleicht fragen, warum sie außen vor gelassen werden. "Das würde das System sprengen." Gleichzeitig wies Bellut auf die "hohen Renditen" bei den privaten Sendergruppen hin, ProSiebenSat.1 und die Mediengruppe RTL seien hochprofitable Unternehmen.