Wenige Tage nach Bekanntwerden der zahlreichen Fälschungen in Texten des ehemaligen "Spiegel"-Reporters Claas Relotius hat das Nachrichtenmagazin weitere Vorwürfe gegen den 33-Jährigen erhoben. Demnach sei dem "Spiegel" von Lesern mitgeilt worden, dass Relotius von seinem privaten E-Mail-Konto Lesern Spendenaufrufe geschickt hat, um Waisenkindern in der Türkei zu helfen.

Der Spendenaufruf steht offenbar im Zusammenhang mit einer vor mehr als zwei Jahren im "Spiegel" erschienenen Geschichte über ein syrisches Geschwisterpaar, das als Waiserkinder in der Türkei auf der Straße lebt. An der Richtigkeit der Reportage wird inzwischen allerdings gezweifelt. So sei Biografie des Jungen nach Angaben eines Fotografs gefälscht und stark dramatisiert, die Person der Schwester könnte Relotius sogar komplett erfunden haben.

Die Spenden, zu denen Relotius aufrief, sollten offenbar auf sein Privatkonto überwiesen werden. In einem Reporter-Sammelband schrieb Relotius später, er habe die Kinder zu einer Ärztefamilie nach Niedersachsen bringen können, die die beiden adoptiert habe - was offenbar ebenfalls nicht der Wahrheit entspricht. Der "Spiegel" kündigte an, die Informationen der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Strafanzeige zur Verfügung stellen zu wollen.

Unterdessen hat der designierte "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Klusmann in einem Schreiben an die Leser von eigenen Fehlern gesprochen. "Wir als Macher des 'Spiegel' müssen einräumen, dass wir in einem erheblichen Ausmaß versagt haben", so Klusmann. "Der Vorgang ist so irre, so dreist und so absurd, dass einem die Verfehlungen im Nachhinein geradezu ins Gesicht springen. Das sollte die Aufklärung erleichtern."