Einige Monate ist es her, dass BR-Intendant Ulrich Wilhelm seinen Wunsch nach einer europäischen "Super-Mediathek" äußerte. Als eine Art Gegenentwurf zu amerikanischen Playern soll diese daherkommen - ganz so weit nach den Sternen griff WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn am Freitag nicht. Bei einem Pressegespräch in Köln sprach er sich allerdings für ein gemeinsames Projekt aller Öffentlich-Rechtlichen aus. "Ich glaube, dass es gut wäre, wenn wir eine große öffentlich-rechtliche Mediathek hätten", sagte er. "Vielleicht nicht morgen, aber übermorgen."

Bis es so weit ist, weitet der WDR erst mal sein eigenes Angebot aus, und zwar in Form eines Doku-Kanals in der hauseigenen Mediathek. Mithilfe spezieller Rubriken soll das Doku-Angebot übersichtlich gestaltet und damit besser auffindbar gemacht werden. "Wir folgen unserem Publikum konsequent dahin, wo es uns sucht. Das ist gerade bei den unter 30-Jährigen immer seltener das lineare Fernsehen und immer häufiger das Fernsehen im Netz", so Schönenborn, der das Publikum am liebsten auf den eigenen Plattformen halten würde.

Dabei fährt der WDR durchaus gut damit, seine Dokus auch bei YouTube anzubieten. Der vor eineinhalb Jahren dort gestartete Kanal zählt inzwischen fast 200.000 Abonnenten und vereinzelt erreichen die eingestellten Filme sogar über eine Million Aufrufe. "Die Zahlen unseres YouTube-Kanals wären auch für Netflix sehr relevant", unterstrich Schönenborn und die WDR-Redakteurin Nicole Kohnert erklärte, dass die Verweildauer immerhin bei rund 15 Minuten, oft aber sogar höher liege. Hier gebe es zudem eine "kommentierfreudige Community", die sehr ausgiebig über das diskutiert, was in den Filmen thematisiert wird.

Bei einer gerade veröffentlichten Dokumentation über arabische Großfamilien schlug die Community jedoch gerade etwas über die Stränge. Weil sich unter die 3.000 Kommentare viel Hass mischte, machte der WDR die Kommentarfunktion kurzerhand dicht. Gesitteter geht es da schon bei "docupy" zu, dem gerade für den Grimme-Preis nominierten Doku-Projekt, das der WDR mit der Produktionsfirma btf umsetzt. Rund zwei Millionen Aufrufe zählen die Clips jeden Monat und 80 Prozent der Online-Zuschauer seien unter 35, rechnen die Verantwortlichen stolz vor.

WDR-Dokukanal© WDR
Der neue WDR-Dokukanal in der Mediathek

Ungeachtet dessen wird es den zweiten Film der Reihe freilich auch im klassischen Fernsehen zu sehen geben, und zwar sogar um 20:15 Uhr im Ersten, was Jörg Schönenborn besonders freut. Beim Pressegespräch in Köln macht der Fernsehdirektor keinen Hehl daraus, dass er trotz durchwachsener Quoten-Erfolge gerne weiter den Primetime-Sendeplatz für Dokus dieser Art öffnen will. "Ich halte diese Symbolik für wichtig", erklärte er. "Die ARD sieht gut aus, wenn sie die Woche mit etwas Dokumentarischem beginnt." Dass die "Markenchecks" inzwischen verstärkt in den Hintergrund rücken, dürfte Kritikern der Reihe durchaus gefallen. Schönenborn selbst sagt, er sei über eine Hinwendung zum Politischen "nicht undankbar".

Ab Mitte März wird der WDR für den Montagabend die BBC-Produktion "Wilde Dynastien" beisteuern, die man als Federführer gemeinsam mit SWR und RBB ins Fernsehen bringt. Bis zu zwei Jahre verbrachten die Filmteams mit Schimpansen, Löwen oder Pinguinen, um den Zuschauern deren Leben aus nächster Nähe zu zeigen. Für den späten, investigativen "Story"-Sendeplatz hat der WDR zudem gemeinsam mit dem NDR und der "Süddeutschen Zeitung" die "unheimliche Macht der Berater" nachgezeichnet. Zu sehen gibt es diesen Film ebenfalls bereits am kommenden Montag. Im April folgt eine Dokumentation von Ranga Yogeshwar über künstliche Intelligenz.

Etwas leichter soll es weiterhin am Freitagabend im WDR Fernsehen zugehen, wo sich am 8. März der Kabarettist und Autor Frank Goosen auf die Suche nach der "Seele des Ruhrgebiets" begibt. Später im Jahr, genauer gesagt ab dem 9. August, beschäftigt sich das Dritte Programm in der Reihe "Unser Land in den 90ern" mit einem weiteren Jahrzehnt. "Erlebnisfernsehen" nennt Christiane Hinz, die Leiterin der WDR-Programmgruppe Dokumentation / Kultur und Geschichte, diese Art von Programmen. "Keine Draufsicht, sondern mittendrin", erklärt sie das Konzept, das zwar nicht preisverdächtig sein mag, dafür aber bei den Zuschauern gut ankommt.