Traditionell ist der TV-Gipfel ein Highlight bei den Österreichischen Medientagen. In diesem Jahr waren mit NBCU-Deutschlandchefin Katharina Behrends, Julia Reuter von der Mediengruppe RTL und BR-Fernsehdirektor Reinhard Scolik auch drei Vertreter deutscher Sender auf dem Podium in Wien mit dabei. Diskutieren sollten sie mit Sky-Österreich-Chefin Christine Scheil, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und ProSiebenSat.1Puls4-Boss Markus Breitenecker eigentlich über Kooperationen und neue Medienrealitäten vor dem Hintergrund neuer und kommender Streamingdienste.
Lange saßen die deutschen Gäste aber nur teilnahmslos in der Runde und mussten eine Auseinandersetzung von Wrabetz und Breitenecker über sich ergehen lassen, die selbst pessimistische Beobachter der Branche zuletzt für nicht mehr möglich gehalten hatten. Der Streit hatte sich in den vergangenen Tagen bereits angekündigt, als der Privatsenderverband VÖP neue Regeln und Reformen für den ORF gefordert hatte - und diese brüsk vom ORF zurückgewiesen worden waren (DWDL.de berichtete). ORF-Chef Alexander Wrabetz führte bei den Medientagen noch einmal aus, weshalb er einen großen ORF-Player starten will und forderte erneut die dafür aus seiner Sicht nötigen Gesetzesänderungen ein.
Diese Gesetzesänderungen braucht es nach der Meinung von Markus Breitenecker nicht. Soweit, so uneins war man sich auf der Bühne. Kurz darauf kam es dann zur großen Auseinandersetzung: Wrabetz warf dem VÖP vor, den ORF erst kaputt machen zu wollen, um ihn dann zu "verscherbeln". Breitenecker sprach daraufhin von "unrichtigen" Behauptungen und "Fake News". Konkret ging es beim Streit um das VÖP-Papier mit den vorgeschlagenen Reformen für den ORF. Der ProSiebenSat.1Puls4-Chef: "Wer sagt, dass das VÖP-Papier den ORF abschaffen will, hat es nicht gelesen."
Der ORF-Chef zeigte anschließend ein Chart von SevenOne Media, in dem der Vermarkter von ProSiebenSat.1 sich selbst für die Marktführerschaft in der österreichischen TV-Werbevermarktung feiert. Er könne nicht verstehen, warum Breitenecker nun auch unbedingt den ORF in diesem Bereich beschneiden wolle. Aber damit könne er ja vielleicht noch berühmter bei Vorstandschef Max Conze werden, so Wrabetz. Conze betonte zuvor mehrfach in einem Einzelinterview auf der Bühne der Medientage, wie wichtig Österreich als Testmarkt sei und welch "enorme Kraft" im österreichischen Medienmarkt stecke. ORF-1-Chefin Lisa Totzauer, die im Anschluss an den TV-Gipfel auf einem anderen Panel saß, sprach dort vor dem Hintergrund der immer wiederkehrenden Diskussionen zwischen Privaten und ORF von einem "Kampf der Gartenzwerge".
Es war schließlich BR-Fernsehdirektor Reinhard Scolik ("Letztes Jahr war ich auf Entzug, jetzt bin ich wieder voll da."), der die Fehde zwischen Wrabetz und Breitenecker durchbrach und an die beiden Manager appellierte: "Das alles wird die internationalen Player nicht beeindrucken". Dafür erhielt er spontanen Applaus aus dem Publikum. Denn eigentlich sollte es ja darum gehen, wie europäische Medien verstärkt zusammenarbeiten können, um sich gegen Netflix, Facebook, Google & Co. zu behaupten. Scolik sprach dann auch ein Problem an, das auch längst in Deutschland angekommen ist: Kreative werden teilweise von großen US-Plattformen eingekauft und exklusiv gebunden.
"Das alles wird die internationalen Player nicht beeindrucken."
BR-Fernsehdirektor Reinhard Scolik über den Kleinkrieg zwischen ORF und Privaten
Hier waren sich dann immerhin alle Manager auf der Bühne einig: Kooperationen sind richtig und wichtig, um in der neuen Medienrealität bestehen zu können. Julia Reuter, Geschäftsführerin für Strategie, Personal und Kultur bei der Mediengruppe RTL, plädierte dafür, solche Kooperationen größer zu denken. Für Zuschauer und User müsse es so einfach wie möglich sein, Inhalte zu nutzen. "Wenn wir uns nicht zusammenschließen, schauen wir zu, wie das Thema an uns vorbeifährt", so Reuter. Als Beispiel für eine gute Kooperation nannte Reuter das Joint Venture d-force, das die Mediengruppe RTL mit der ProSiebenSat.1-Gruppe gestartet hat. Auch der War for Talents sei ein großes Thema, sagte Reuter und pflichtete damit BR-Fernsehchef Scolik bei.
Behrends will starke Marken erhalten
Auch die Tatsache, dass einzelne Sendermarken auf den neuen Plattformen immer mehr in den Hintergrund geraten, ist Thema beim TV-Gipfel gewesen. NBCU-Deutschlandchefin Katharina Behrends sagte, dass es trotz allem ein großes Bedürfnis gebe, Marken zu erhalten, wenn sie für ein bestimmtes Genre stehen würden. Gut für die eigenen Sender ist laut Behrends der verstärkte Trend von Free-TV-Sendern hin zu Eigenproduktionen. Mit Sender wie Syfy und 13th Street bietet man selbst vor allem US-Fiction an. Der Shift im Free-TV stärke das eigene Angebot.
In einem Punkt waren sich selbst Alexander Wrabetz und Markus Breitenecker einig: Der Ruf nach Kooperationen soll nicht dazu führen, dass journalistischer Einheitsbrei entsteht. Daher wolle man auch gar keine gemeinsame Elefantenrunde im Vorfeld der anstehenden Nationalratswahl. Dass die Spitzenkandidaten der Parteien inzwischen aber auch zu Kleinstsendern gehen, ist durchaus ungewöhnlich - in Deutschland wäre das undenkbar. Am Dienstag etwa trafen die Politiker beim kleinen News-Sender oe24.tv aufeinander. Da konnte auch der ORF-Chef noch etwas lernen: "Ah, das ist auch Fernsehen", wunderte er sich.