In der Oktober-Ausgabe des Medienmagazins "Journalist" finden die Leser ein Interview mit Gabor Steingart, in dem es nur die Fragen zu lesen gibt. Sämtliche Antworten sind von der Redaktion geschwärzt worden, nachdem Steingart sie nicht autorisieren wollte. Nach Darstellung des "Journalist" hatte Steingart seine Aussagen komplett zurückgezogen, nachdem die Redaktion umfassende Änderungen in seinen Antworten nicht hinnehmen wollte.
Der "Journalist" wirft Steingart eine grundlegende Veränderung seiner Antworten vor. "Steingart schickte in der Autorisierung eine Version des Interviews zurück, die mit dem tatsächlich geführten Gespräch an vielen Stellen nichts mehr zu tun hatte. Nachdem die journalist-Redaktion diese Änderungen abgelehnt hatte und mehrere Versuche einer Verständigung gescheitert waren, ließ Steingart über seinen hinzugezogenen Medienanwalt Christian Schertz mitteilen, dass er seine Antworten komplett zurückziehe", so der "Journalist" in einer Pressemitteilung.
Steingart war früher Chefredakteur des "Handelsblatt" und baut gerade seine Firma Media Pioneer auf, an dieser ist auch Axel Springer beteiligt. "Journalist"-Chefredakteur Matthias Daniel sagt zum aktuellen Fall: "Die Eingriffe von Steingart hatten mit Autorisierung nichts zu tun. Ich sehe sie als Versuch, Gesagtes im Nachhinein um- und neuzuschreiben." Es sei ausgeschlossen, dass man eine solche Interview-Version veröffentliche. "Dann drucken wir lieber schwarze Zeilen", so Daniel. "Dass Steingart dabei sogar versucht hat, in die Fragen der Autorin einzugreifen und diese zum Teil umzudichten, wirft ein düsteres Bild auf das Berufsverständnis eines Medienunternehmers, dessen Werbeslogan '100 Prozent Journalismus. Keine Märchen' lautet."
Der Deutsche Journalisten-Verband, der hinter dem Magazin steht, hat sich ebenfalls in der Sache zu Wort gemeldet und zeigt sich "enttäuscht" vom Verhalten des ehemaligen "Handelsblatt"-Chefs. DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall sagt: "Journalisten sehen sich immer wieder Versuchen ausgesetzt, für den Interviewten genehme Gespräche zu veröffentlichen. Die Angst der Journalisten vor hohen Abmahngebühren und teuren Verfahren kann dabei in vielen Fällen Druck erzeugen." Umso wichtiger sei es, dass führende Köpfe der Medienwelt mit gutem Beispiel vorangingen. "Wenn Gabor Steingart wirklich an freiem und kritischem Journalismus gelegen ist, sollte er souveräner mit kritischen Fragen von Kollegen umgehen."