Die Diskussion war schon weit vorangeschritten, als Sascha Schwingel beim von DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges moderierten TV-Gipfel der Medientage München die Frage aufwarf, ob nicht irgendwann einmal der Punkt erreicht sei, an dem die Zuschauer genug von all den Angeboten haben, die klassische Fernsehsender und die wachsende Zahl der Streamingdienste unterbreiten. Noch scheint das allerdings nicht der Fall zu sein – und im Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums wird inzwischen mit härteren Bandagen gekämpft als je zuvor. "Wir erleben den War for Talents jeden Tag ganz konkret", sagte Frank Zervos, der beim ZDF die Hauptredaktion Fernsehfilm / Serie I leitet.

Zervos gab zu bedenken, dass zwar die Zahl der Produktionen steige, das "Key-Talent-Personal", wie er es nennt, aber nicht in gleichem Maße mehr werde. Gerade erst sei ihm ein Projekt weggeschnappt worden, an dessen Entwicklung das ZDF ein Jahr lang beteiligt gewesen ist. "Das ist Part dessen, was gerade passiert und fordert uns natürlich heraus." Wenn "die freundlichen Amerikaner" nun erzählten, in Deutschland sechs bis zwölf Produktionen jährlich zu machen, dann sei das eine "interessante Entwicklung", sagte Zervos auch mit Blick auf eine zuvor gehaltene Keynote von James Farrell, der die internationalen Produktionen von Amazon Studios verantwortet.

Das ZDF selbst will daher zur Gegenentwicklung ansetzen und verstärkt in internationalen Content investieren – so wie man das bereits mit "Bad Banks" vorgemacht hat. Ein weiteres Beispiel sei die Verfilmung von "Der Schwarm". "Das zeigt, dass wir jetzt den Mut haben, auch aus Deutschland heraus mehr zu machen für den internationalen Markt", sagte Zervos beim TV-Gipfel und stellt inzwischen eine veränderte Wahrnehmung fest. "Die BBC hat immer die Nase gerümpft, wenn wir mit ihr koproduzieren wollten. Jetzt sind wir auf einmal ein gefragter Partner am Tisch."

Eine Hysterie will Vox-Chef Sascha Schwingel derweil nicht heraufbeschwören. Er erinnerte etwa an den ZDF-Mehrteiler "Dresden", der sich schon 2006 weltweit gut verkauft habe. Die Grundzutaten seien damals wie heute dieselben. Allerdings gebe es inzwischen mehr Dynamik und Wettbewerb – was Schwingel für gut erachtet. Noch vor wenigen Jahren hätten Sender und Redakteure "relativ satt und bräsig in der Redaktionsstube" gesessen und sich bedienen lassen. "Aus dieser Haltung sind wir raus und das ist etwas sehr Positives."

Dass sich auch die Mediengruppe RTL an dem von Frank Zervos angesprochenen "War for Talents" beteiligt, etwa durch die Bindung von Random-House-Autoren an RTL, ist jedoch ebenso Teil der Wahrheit. "Das engt uns in der Auswahl der Möglichkeiten ein", betonte Zervos. Gleichzeitig wies Schwingel die Sorge zurück, dass man bei fiktionalen Produktionen vor allem die hauseigene UFA stärken würde. "Die Content Alliance heißt nicht, dass wir nur noch die UFA beauftragen. Natürlich ist uns das eigene Produktionshaus näher, aber es wäre fachlich und inhaltlich falsch, die Augen zu schließen", betonte der Vox-Chef bei den Medientagen München.

TV-Gipfel 2019

Angesichts der Debatten um die non-lineare Fernsehnutzung wirkt es fast schon aus der Zeit gefallen, dass Vox in wenigen Wochen mit Vox Up einen Free-TV-Ableger starten wird. Für Schwingel ist das jedoch kein Widerspruch. "Das bringt total was", sagte er auf dem TV-Gipfel. "Wir haben durch RTLplus oder Nitro gesehen, dass wir unsere Reichweiten erhöhen konnten." Da liege der Gedanke nahe, auch die Marke von Vox auf ähnliche Weise zu stärken. Und auch Elke Walthelm, EVP Content bei Sky Deutschland, glaubt an die Kraft linearer Sender. So sei der gerade gestartete Kanal Sky Cinema Special derzeit der bestlaufende Sender im Filmpaket.

"Ich glaube immer noch daran, dass es eine Zukunft für lineare Sender gibt", erklärte Walthelm. Es gehe darum, bestimmte Zielgruppen auf Basis ihrer Bedürfnisse anzusprechen. Dabei komme der Kuratierung der Inhalte eine wichtige Aufgabe zu. Bei der Auswahl der Streamingdienste sei sie selbst "manchmal latent überfordert". Sky will unterdessen auch unter dem neuen Gesellschafter weiterhin in Eigenproduktionen investieren und das Engagement noch erweitern. Die Aktivitäten sollen in diesem Bereich innerhalb der nächsten beiden Jahre verdoppelt werden. "Die Gründung von Sky Studios stärkt uns den Rücken, die lokalen Sky-Eigenproduktionen in allen Territorien auszubauen."

Yvette Gerner, die neue Intendantin von Radio Bremen, warnte jedoch davor, den Fokus ausschließlich auf teure Produktionen wie "Babylon Berlin" oder "Der Schwarm" zu legen. "Wir sollten nicht der Faszination erliegen, nur auf die Gigaprojekte und die großen Budgets zu schauen." Mit dem Budget von jährlich 20 Millionen Euro, die die ARD neuerdings ausschließlich in Mediatheken-Inhalte investieren will, dürfte so etwas ohnehin kaum zu stemmen sein. Von Torsten Zarges darauf angesprochen, dass man von dem Budget nur eineinhalb "Game of Thrones"-Episoden produzieren könne, sagte Gerne: "Wir haben einen breiteren Auftrag. Ich glaube, man kann das Geld auch anders einsetzen und viel mehr Wert für das Publikum schaffen."