German Motion Picture Fund© FFA
Mit dem German Motion Picture Fund (GMPF) können ab sofort auch dokumentarische Serien gefördert werden - doch sollte Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), nun Freude im Lager der Dokumentarfilmer erwartet haben, hat sie sich getäuscht. In einer gemeinsamen Stellungnahme der AG DOK, Deutscher Filmakademie, Produzentenallianz, Produzentenverband und  Film- und Medienverband NRW heißt es zwar, die Neuerung sei generell "richtig und wichtig", die konkrete Ausgestaltung sei aber realitätsfern - und Stellungnahmen der Verbände seien gar nicht berücksichtigt worden.

So stört man sich daran, dass für die Förderung der Minutenpreis der Produktion bei mindestens 9.000 Euro liegen muss, die Gesamtlänge bei 180 Minuten. Selbst ambitionierte deutsche Dokumentarfilmproduktionen würden das nicht erreichen. "Dies mag ein realistisches Einstiegsbudget für Hybridformen wie Doku-Fiction mit hohem inszeniertem Anteil, für dokumentarische Animationsfilme oder für weltweit finanzierte Wildlife-Dokus sein - für serielle, narrative dokumentarische Formate liegt es jedoch jenseitig der Realität", sagt der Produzent und Regisseur Arne Birkenstock von Fruitmarket Arts & Media.

Selbst die ersten in Deutschland produzierten Netflix-Dokuserien kämen auf Minutenpreise von 4.000 bis 7.000 Euro, trotz des weltweiten Buyouts. Demnach wären dokumentarische Animations- und Doku-Fiction-Produktionen, wo je nach Größe des "Spielfilm"-Anteils der Minutenpreis auch schon mal 10, 15 oder 20.000 Euro betragen könne, die einzigen, die vom GMPF profitieren könnten. "Nun ist dies sicherlich ein spannendes und hochwertiges Genre, doch sind die meisten erfolgreichen High-End-Doku-Serien von der 6-teiligen Serie 'Nisman - Tod eines Staatsanwaltes' (ZDFinfo, Netflix, Movistar) über der 6-teiligen Serie 'Colonia Dignidad' (Canal13, WDR, SWR, Netflix) bis zur 10-teiligen Serie 'The Last Dance' (Netflix Original) eben reine dokumentarische Serien, die ohne Dialog-Drehbuch und Bühnenbild, Schauspieler*innen, Kostüm und Maske auskommen", erläutert Gunnar Dedio von LOOKSfilm.

Mit Unverständnis reagieren die Dokumentarfilmer auch, dass die Eintrittsschwelle bei fiktionalen Produktionen mit 30.000 Euro nur gut drei Mal so hoch liege wie beim Dokumentarfilm, die Kosten für fiktionale Produktionen aber eher das fünf bis zehnfache einer Doku-Produktion betragen würden. Zwar sei man dafür, denn GMPF "ambitioniert" zu gestalten, um auch deutsche Sender und Plattformen zur Zahlung von höheren Beträgen zu animieren, die jetzige Schwelle sei aber "derart überambitioniert, dass die Öffnung des GMPF für dokumentarische Serien nahezu wirkungslos bleiben" werde, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Produzent Thomas Kufus von zero one film: "Damit werden deutsche Produktionen im internationalen Wettbewerb um hochkarätige non-fiktionale Serien weiterhin stark benachteiligt und ausgegrenzt."

Dabei würden Plattformen und Mediatheken für die Finanzierung dokumentarischer Stoffe im Vergleich zum Kino immer wichtiger - und dort sind vor allem serielle Aufbereitungen gefragt. Christian Beetz von der gebrueder beetz filmproduktion erklärt: "Wir brauchen mehr dokumentarischen High- End-Content aus Deutschland dort, wo er auch gesehen und wertgeschätzt wird. Das ist im Kino immer seltener der Fall, auf Plattformen und in Mediatheken jedoch immer häufiger. Zudem würde der Standort Deutschland gestärkt, wenn mit Hilfe der BKM dokumentarische Leuchtturmprojekte finanziert werden, die im internationalen Wettbewerb um Stoffe und Talente mit den globalen Plattformen konkurrieren könnten."

Susanne Binninger von der AG DOK fasst die jetzt eingetretene Situation so zusammen: "Für eine ganze Reihe aktueller dokumentarischer Serienproduktionen im Stadium der Finanzierung sind die neuen Richtlinien ein ganz herber Rückschlag. Die erhofften und dringend notwendigen wirtschaftlichen Effekte für den Standort Deutschland und das ebenfalls dringend notwendige Signal für die Branche finden nicht statt. Die Öffnung des GMPF für den Dokumentarfilm wird mit dieser hohen Eintrittsschwelle ergebnis- und folgenlos verpuffen. Das ist für uns Dokumentarfilmer*innen in Deutschland inmitten der Covid-19-Krise ganz besonders bitter."  Dagmar Biller von Tangram International ergänzt: "In einer Zeit, in der die digitale Auswertung und Verbreitung unserer Filme immer wichtiger wird, sind wir als Dokumentarfilmer dringend auf den GMPF angewiesen."

Nun drängt man auf eine öffentliche Evaluierung der neuen Richtlinie ein Jahr nach deren Inkrafttreten - da das rückwirkend zum 1. Mai war als im kommenden Frühjahr. Dazu fordert man eine anonymisierte Veröffentlichung statistischer Kennzahlen aller eingereichten dokumentarischen Projekte. Auf dieser Basis rege man dann eine öffentliche Panel-Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der Branche und Monika Grütters an.