"Das ist die schärfste Pressekonferenz, die ich je miterleben durfte", sagte ARD-Programmdirektor Volker Herres gleich zu Beginn. Tatsächlich sorgte die Corona-Krise für eine ungewöhnliche Konstellation: Via Microsoft Teams waren die zahlreiche ARD-Granden zugeschaltet, um "eines der größten Personalpakete, das die ARD je geschnürt hat", wie WDR-Intendant Tom Buhrow es formulierte, zu präsentieren. Die wichtigste Personalie war bereits im Vorfeld durchgesickert: Christine Strobl wird zum 1. Mai 2021 neue ARD-Programmdirektorin.

Sie tritt damit die Nachfolge von Volker Herres an, dessen vorzeitiger Abschied in dieser Woche bekanntgeworden ist. Die Intendantinnen und Intendanten der ARD trafen die Personalie, über die DWDL.de bereits am Dienstag berichtete, ebenso einstimmig wie die Gremienvorsitzendenkonferenz. Strobl verantwortet damit in ihrer neuen Funktion das Programm des Ersten, aber auch die ARD-Mediathek und sitzt der neu beauftragten Videoprogrammkonferenz vor, die für die linearen und non-linearen Videoangebote der ARD zuständig ist.

Volker Herres, Christine Strobl, Tom Buhrow © WDR/Oliver Ziebe Volker Herres, Christine Strobl und Tom Buhrow

"Wir sind gespannt auf ihre Impulse, die sie in ihrer neuen Funktion der ARD geben wird. Sie ist eine in der Film- und Fernsehbranche sehr anerkannte Persönlichkeit, die ihre extrem hohe fachliche Kompetenz zuletzt in der Funktion als Geschäftsführerin der Degeto Film bewiesen hat", sagte Tom Buhrow über die erste Frau an der Spitze des Gemeinschaftsprogramms. "Christine Strobl hat auch gezeigt, dass sie als Programmmacherin in Zeiten sich verändernder Sehgewohnheiten ein relevantes und attraktives Programm für Jung und Alt, für viele Menschen machen kann."

Strobl selbst machte deutlich, in ihrer neuen Funktion vom Film lernen zu wollen. "Ein Film kann wunderbar geworden sein - aber wenn man in der ersten halben Stunde eine Million Zuschauer verliert, dann hat man etwas falsch gemacht", sagte sie. Es werde in ihrer neuen Aufgabe darum gehen, die Zuschauerinnen und Zuschauer so anzusprechen, "dass sie Lust haben, sich auf unsere Themen einzulassen". Dann habe der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine große Chance, zeigte sich die künftige Programmdirektorin überzeugt.

Hager konzentriert sich auf die Mediathek

Florian Hager © SWR/Alexander Kluge Florian Hager, Channel-Manager der ARD-Mediathek
Zusammenarbeiten wird sie nicht zuletzt mit Florian Hager, der bereits vor einiger Zeit zum neuen Channel-Manager der ARD-Mediathek berufen wurde und aktuell noch dazu als funk-Geschäftsführer tätig ist. Seine Aufgabe bei dem jungen Angebot von ARD und ZDF soll zum 1. Dezember jedoch Philipp Schild übernehmen - sofern der SWR-Verwaltungsrat der Personalie zustimmt, wovon auszugehen ist. Bereits seit dem Start von funk im Jahr 2016 war Schild als Head of Content tätig. Florian Hager betonte derweil mit Blick auf die Mediathek, dass man dort mehr tun müsse als "Sendung verpasst". Hager: "Wir brauchen ein eigenständiges Programmangebot, das an vielen Stellen komplementär zum Fernsehen ist."   

Geklärt ist indes auch schon die Nachfolge von Christine Strobl bei der Degeto, an deren Spitze Thomas Schreiber wechseln soll. Die Wahl selbst muss jedoch noch in der Gesellschafterversammlung erfolgen. Derzeit leitet Schreiber den Programmbereich Fiktion und Unterhaltung des NDR Fernsehens und ist auch ARD-Unterhaltungskoordinator - wer diese Funktion künftig übernehmen wird, ist noch offen, betonte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow. Man wolle die Personalie "in Ruhe klären". Auswirkungen auf den Eurovision Song Contest, den Schreiber über Jahre hinweg verantwortete, habe sein Wechsel zur Degeto nicht. "Der Prozess läuft, wir sind schon sehr, sehr weit", erklärte Schreiber auf DWDL.de-Nachfrage.

Oliver Köhr wird neuer ARD-Chefredakteur

Oliver Köhr © ARD-Hauptstadtstudio/Thomas Kierok Oliver Köhr, künftiger ARD-Chefredakteur
Einen Wechsel gibt es auch an der Spitze der ARD-Chefredaktion: Oliver Köhr, bislang stellvertretender Leiter des ARD-Hauptstadtstudios wird ebenfalls zum 1. Mai 2021 neuer ARD-Chefredakteur, Koordinator Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Er folgt auf Rainald Becker, der das Amt 2016 übernommen hatte. Becker soll im kommenden Jahr jedoch noch die Koordination für die Berichterstattung zur anstehenden Bundestagswahl übernehmen.

Künftig ist es jedoch Oliver Köhr, der in der ARD-Programmdirektion aktuelle Sendungen wie die "Tagesschau" oder "Tagesthemen" koordiniert und verantwortet. In seinen Aufgabenbereich fallen außerdem politische und Verbraucher-Magazine, Dokumentationen, Reportagen und Sondersendungen, wie den "Brennpunkt" oder "ARD extra" und auch die Talksendungen. Matthias Deiß, derzeit Redaktionsleiter des ARD-Politmagazins "Kontraste", wird Köhrs Nachfolge im ARD.Hauptstadtstudio antreten.

Buhrow: "Bringen das Digitale jetzt voran"

Tom Buhrow zeigte sich mit den Personalien zufrieden. "Wir setzen den begonnenen Umbau konsequent weiter um. Ich bin als ARD-Vorsitzender stolz, dass wir gemeinsam ein so außergewöhnliches Personalpaket geschnürt haben", sagte er in Berlin. "Wir bringen das Digitale jetzt mit genau der Energie und Leidenschaft voran, wie wir das seit Jahrzehnten in Radio und Fernsehen tun." Im Jahr 2020 klingt das reichlich verspätet - insofern darf man gespannt, ob die nun getroffenen Weichenstellungen von Erfolg gekrönt sein werden.

Nebenbei haben die Intendantinnen und Intendanten Tobias Rahn zum nebenamtlichen Koordinator Digital berufen, der seit 2016 Leiter der Abteilung Digitale Produkte Das Erste und seit 2018 zudem Leiter des ARD-Entwicklerboards ist. Seine Aufgaben in der neuen Funktion umfassen unter anderem den Aufbau einer technischen Sendeleitung für die ARD-Mediathek und weiterer nonlinearer Ausspielkanäle, die Überwachung der Zulieferungsketten von Video- und Audio-Files, die Organisation von Monitoring und eines sicheren Betriebs der zentralen Anwendungen zur Ausspielung im nonlinearen Bereich sowie die Abstimmung mit Netzbetreibern und Content-Dienstleistern.

WDR übernimmt ARD-Vorsitz auch 2021

Fest steht nun auch, dass der WDR auch im kommenden Jahr den ARD-Vorsitz innehaben wird. Die Landesrundfunkanstalten der ARD wechseln sich regelmäßig im Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft ab. Seit Längerem ist es üblich, dass die ARD-Geschäftsführung zwei Jahre am Stück bei einer Anstalt bleibt. Der stellvertretende ARD-Vorsitz liegt 2021 erneut beim Bayerischen Rundfunk.  

Und Volker Herres? Der scheidende Programmdirektor wird der ARD auch nach seinem Abschied erhalten bleiben. Wehmütig wirkte er bei der digitalen Pressekonferenz aber nicht. "Ich möchte auch mal nicht Fernsehgucken", erklärte Herres und intepretierte Sisyphos auf seine ganz eigene Art: "Sie müssen sich Volker Herres als einen glücklichen Menschen vorstellen."

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