Seit gerade einmal vier Tagen ist der neue Medienstaatsvertrag gültig, da steht bereits der erste Härtetest bevor. Neu ist, dass das Regelwerk auch für Live-Streamingplattformen, Videoportale oder Online-Anbieter wie Google und Facebook gilt. Sie müssen sich ab sofort an Regeln halten, die auch für das Fernsehen und den Hörfunk gelten. Der Medienstaatsvertrag sei "die Antwort der Länder als Mediengesetzgeber auf die Digitalisierung der Medienwelt“, sagte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer (SPD), und sprach von einem "Meilenstein".

Welche Veränderungen der neue Medienstaatsvertrag mit sich bringt, könnte sich schon jetzt zeigen. Die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) hat nämlich die Einleitung eines Verfahrens gegen Google angekündigt, wie Direktor Thomas Fuchs gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de bestätigte. Konkret geht es um ein durchaus pikantes Thema, in das auch die Politik involviert ist - genauer gesagt um die in dieser Woche bekannt gewordene Zusammenarbeit zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und dem US-Konzern.

Die Kooperation sieht vor, dass Google bei einer medizinischen Stichwortsuche die Antworten eines vom Bund betriebenen Gesundheitsportals in einem prominent hervorgehobenen Info-Kasten präsentiert. "Wer nach Gesundheitsthemen im Internet sucht, findet künftig noch leichter zu unserem Nationalen Gesundheitsportal", erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Philipp Justus, Vice President Google Zentral-Europa, verwies auf die "wertvolle Zusammenarbeit" der vergangenen Monate, die nun auf "zahlreiche weitere Gesundheitsthemen" erweitert werden soll.

"Neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit"

Bereits am Mittwoch liefen die Verlage gegen diese Form der Zusammenarbeit Sturm. "Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit", sagte Rudolf Thiemann, der Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Und Burda-Vorstand Philipp Welte schimpfte, das Ministerium deklassiere "die freien marktwirtschaftlich organisierten Gesundheitsportale und setzt alle Mechanismen der freien Information und damit der freien Meinungsbildung in unserer Demokratie außer Kraft". Weltes Verärgerung ist nachvollziehbar, schließlich hält Hubert Burda Media seit dem vergangenen Jahr sämtliche Anteile an "NetDoktor.de", dem meistbesuchten deutschsprachigen Gesundheitsportal.

Thomas Fuchs © Achim Multhaupt Thomas Fuchs
Und nun beschäftigen sich also auch noch die Medienhüter mit der umstrittenen Kooperation. "Es könnte hier eine unbillige systematische Behinderung von journalistisch-redaktionellen Angeboten vorliegen", erklärte MA HSH-Direktor Thomas Fuchs am Donnerstag auf DWDL.de-Nachfrage. Genau das werde jetzt geprüft. Im vorliegenden Fall geht es um Paragraph 94 des neuen Medienstaatsvertrags, der sich mit dem Aspekt der Diskriminierung befasst. Diese liege vor, wenn "ohne sachlich gerechtfertigten Grund" von bestimmten Kriterien "zugunsten oder zulasten eines bestimmten Angebots systematisch abgewichen wird oder diese Kriterien Angebote unmittelbar oder mittelbar unbillig systematisch behindern". 

Sofern ein solch "unbilliger Vorstoß" vorliege, könnte Google nachbessern, also die Bevorzugung des Bund-Gesundheitsportals stoppen, sagte Fuchs. Im schlimmsten Fall könnte Google die Kooperation teuer zu stehen kommen - nach Angaben der MA HSH droht Google ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 Euro. Zunächst bekommt das Unternehmen jedoch Zeit, sich zu äußern. Ob tatsächlich ein Verfahren eingeleitet wird, dürfte also auch von den Antworten des Internet-Riesen abhängen. Gegen das Gesundheitsministerium, das im vorliegenden Fall eine nicht unwesentliche Rolle spielt, können die Medienhüter übrigens nicht vorgehen. Im Zweifel wäre die Kooperation damit ein Fall für die Gerichte.

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