Kaum etwas scheint im TV-Bereich derzeit so schnell zu wachsen wie die Zahl der Streaming-Dienste: Kooperation und Bündelung war gestern, heute baut jeder Konzern seinen eigenen Dienst und will direkt ans Geld der Zuschauer. Was Netflix kann, wollen die alteingesessenen TV-Konzerne schließlich schon lange können. Allerdings regt sich längst der Unmut der anvisierten Kundschaft, die immer mehr Dienste abonnieren soll, was den zwischenzeitlichen Preisvorteil der Streaming- zur klassischen Pay-TV-Welt ad absurdum führt.

Eine Konsolidierung auf diesem Markt könnte also vor allem eine Frage der Zeit sein - meint auch ProSiebenSat.1-Vorstandssprecher Rainer Beaujean. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagte er nun, dass er nicht glaube, dass "die vielen neuen Plattformen unterm Strich wirtschaftlich erfolgreich" seien. "Die Haushaltseinkommen sind in Deutschland begrenzt, wie viele davon können sich hiervon am Ende 15 Abos leisten?" Er glaube daher nicht an einen "Siegeszug" der Abo-Modelle.

"Da wird sich der Markt wieder zu unserem Vorteil verändern", ist Beaujean überzeugt - und stellt damit auch klar, dass ProSiebenSat.1 auch weiterhin ganz klar vorrangig auf Werbefinanzierung setzt. Die Aussage ist aber auch deshalb bemerkenswert, weil ProSiebenSat.1 gemeinsam mit Discovery ja auch selbst im SVoD-Markt mitmischt: Joyn Plus+ heißt hier das Angebot, das der Konzernchef allerdings offenbar nicht als Herzstück ansieht, wenn er von einem "kleinen Bereich" im Joyn-Gesamtangebot spricht.

Die große Euphorie, die sein Vorgänger Max Conze Joyn noch zuteil werden ließ, ist bei Beaujean ohnehin nicht zu hören. Er bezeichnet den Dienst als "wichtigen Distributionskanal, über den wir unsere Inhalte monetarisieren können" - auch das klingt nicht nach einer Inhalte-Offensive für den vor gut einem Jahr gestarteten Premium-Bereich, auch wenn Beaujean sagt, dass Joyn "als Produkt gut funktioniert". Abgeblasen sind die internationalen Pläne - eigentlich wollte man die technische Plattform an ausländische Partner verkaufen, die dann selbst ein ähnliches Angebot darauf hätten aufbauen sollen. Dort sei das Interesse aber sehr begrenzt gewesen - schließlich hätten die meisten dort längst selbst eigene Plattformen aufgebaut.

Die Zukunft sieht Beaujean für ProSiebenSat.1 also in der Werbefinanzierung - und hier läuft das Geschäft nach dem heftigen Corona-Einbruch im 2. Quartal derzeit richtig gut. Im November habe man deutlich über Vorjahr gelegen und auch im Dezember werde man letztlich voraussichtlich ein kleines Wachstum im Vergleich zum Vorjahresmonat erzielen können. 2021 erwartet er zwar erneut "negative Corona-Effekte", insbesondere im ersten Quartal. Allerdings sieht er sich gut aufgestellt: "Wir haben in der Krise bislang nicht wie andere Fernsehsender in Europa massiv Investitionen in das Programm gekürzt oder Stellen gestrichen, sondern uns antizyklisch verhalten. Das wird sich 2021 auch wieder auszahlen", so Beaujean.

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