Es ist bereits mehr als zehn Jahre her. als sich beinahe parallel beim ZDF und RTL die Begeisterung für virtuelle Studiosets ihren Weg bahnte und in damals komplett neu umgesetzten Nachrichtensendungen mündete. In Mainz wurde die "grüne Hölle" eingeweiht, ein schnell etablierter Spitzname für das Herzstück des neuen Studio-Gebäudes, der neuen Heimat von "heute" und "heute journal". In Mainz wie in Köln war man begeistert von den technischen Möglichkeiten der Virtualität, allen voran von den zwischenzeitlich berühmt berüchtigt gewordenen "virtuellen Erklärräumen". 

Animationen und Modelle sollten durch die direkte Einbindung im Studio bei der Verdeutlichung von Themen helfen, also nicht durch Einspieler sondern vermeintlich greifbar für die Moderatorinnen und Moderatoren. Was technisch mit entsprechend großem Aufwand und Vorlauf damit theoretisch möglich wurde, war mit dem schnellen Nachrichtengeschäft allerdings nur bedingt vereinbar, wie schon die ersten Monate nach den Premieren der virtuellen Studios von ZDF (2009) und RTL (2010) zeigte. In den vergangenen Jahren waren es eher planbare Events, zu denen die Animationen noch eingesetzt wurden. 

Die Euphorie für das Virtuelle hat spürbar nachgelassen. Im Oktober 2019 kündigte ZDF-Intendant Thomas Bellut einen Relaunch aller Nachrichtenangebote seines Senders an, sprach von einer "notwendigen technischen Erneuerung des Studios" und stellte eine "optische Auffrischung" für 2020 in Aussicht. Pandemie-bedingt verzögerte sich das jedoch. Auf DWDL.de-Anfrage bestätigt das ZDF jetzt, dass nach dem Relaunch der Website sowie dem "heute journal update" als Ersatz für "heute+" der "weitere Relaunch der heute-Familie für Sommer 2021 anvisiert" sei. 

Wunsch nach mehr Transparenz und Authentizität

Zeitgleich tut sich auch in Köln etwas. In diesen Tagen nimmt die neu geformte RTL News GmbH ihre Arbeit auf, was hinter den Kulissen einerseits zu personellen Änderungen und neuen Strukturen führt. Aber auch on air sollen die Nachrichten-Formate der Mediengruppe RTL Deutschland sich spürbar verändern. Anders als beim ZDF, wo man angesichts der teuren Investition in die "grüne Hölle" weitgehend am Virtuellen festhalten wird, sollen die Informationssendungen der Kölner nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de künftig aus einem weitgehend realen Studio-Set kommen.

Der Abschied von virtuellen Kulissen sei kein Selbstzweck, betont ein führender Kopf der neuen RTL News GmbH im Hintergrundgespräch. Viel mehr ist die Entscheidung für ein reales Studioset auch einem Wunsch nach mehr Transparenz und Authentizität geschuldet. Die Entwicklungen in der Medienrezeption der vergangenen Jahre inklusive der Fake News-Debatte macht es wichtiger, sich von simulierten Umgebungen zu verabschieden und gerade in Abgrenzung zu unseriösen Angeboten die eigenen Stärken besser zu betonen: Moderne, aber nachvollziehbare Präsentation, bei der vertraute Köpfe in vertrauter Umgebung agieren. 

Details will die Mediengruppe RTL Deutschland auf Anfrage nicht bestätigen. Eine Sprecherin teilt mit: "Deutschlands erfolgreichste Nachrichtensendung für alle zwischen 14 und 59 möchte und muss auch visuell immer die Benchmark sein. Daran arbeiten wir kontinuierlich. Im Zuge neuer starker Formate und unserer Nachrichten-, Magazin-, Dokumentation- und Investigativ-Offensive unter dem Dach der neuen RTL News denken wir auch immer über sinnvolle Weiterentwicklungen unseres bestehenden und sehr erfolgreichen Studios nach, um für jede Idee und Situation in der Zukunft optimal vorbereitet zu sein."

Das neue reale Studio-Set soll nach DWDL.de-Informationen ab Sommer zum Einsatz kommen und mindestens für die regelmäßigen Sendungen von "Guten Morgen Deutschland", "Punkt 12", "RTL aktuell" und das "RTL Nachtjournal" die neue Heimat werden. Bis das erste Großprojekt der neuen RTL News GmbH einsatzbereit ist, bleiben die meisten Nachrichten-Formate von RTL erst einmal unverändert. Nur "Guten Morgen Deutschland" wird im März zwischenzeitlich ein neues Übergangsstudio beziehen. Und im Sommer dann wird es spannend: Gleich zwei große deutsche Fernsehsender modernisieren ihre Nachrichtensendungen, mutmaßlich fast parallel zueinander.