Von dieser Entwicklung wird inzwischen niemand mehr überrascht sein, vom Tempo der Umsetzung möglicherweise schon: Nach 23 Jahren bei Gruner+Jahr wird CEO Julia Jäkel das Unternehmen verlassen - und das noch heute. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden am heutigen Mittwoch darüber informiert. Jäkels Abschied folgt der vor sechs Wochen öffentlich gemachten Ankündigung von Sondierungsgesprächen zwischen Gruner+Jahr und der Mediengruppe RTL Deutschland über eine noch engere Zusammenarbeit, was angesichts von schon existierender Kooperation und wörtlicher Aussage von Bertelsmann-CEO Thomas Rabe, auch Fusion der beiden Medienhäuser bedeuten kann. Das befeuerte nochmal die ohnehin schon lange geführte Diskussion über eigenständige Zukunft von Gruner+Jahr in Hamburg und damit die künftige Rolle von Julia Jäkel. Jetzt also die Trennung.

Thomas Rabe © Bertelsmann Bertelsmann-CEO Thomas Rabe
"Julia Jäkel hat G+J in den vergangenen Jahren von einem klassischen Zeitschriftenverlag in ein modernes, digitales Medienunternehmen transformiert. Seit 2013 hat sie zudem als Mitglied des Group Management Committee von Bertelsmann wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Konzerns gegeben. Dies gilt insbesondere für unsere Inhaltegeschäfte – deren Entwicklung und Zusammenarbeit in Deutschland sie als Vorsitzende der Bertelsmann Content Alliance vorangetrieben hat. Ich danke ihr für die vielfältigen Leistungen, die sie über viele Jahre hinweg für Bertelsmann erbracht hat. Für ihre private und berufliche Zukunft wünsche ich ihr persönlich, aber auch im Namen von Vorstand und GMC alles erdenklich Gute", erklärt Bertelsmann-CEO Thomas Rabe.

Stephan Schäfer übernimmt Führung von Gruner+Jahr

Stephan Schäfer © G+J / Antonina Gern Stephan Schäfer
Die Führung von Gruner+Jahr übernimmt Stephan Schäfer, seit 2013 bereits Chief Product Officer im Verlag. Er erbt auch Jäkels Platz im Group Management Committee (GMC) von Bertelsmann. "Stephan Schäfer ist seit vielen Jahren in herausgehobenen Führungspositionen für Bertelsmann tätig. Er verantwortet wichtige Inhaltegeschäfte und treibt maßgeblich den Ausbau unserer Mediengeschäfte zu einem nationalen Champion voran. Ich freue mich sehr auf die zukünftig noch engere Zusammenarbeit mit ihm im GMC", so Rabe. In einer ersten Pressemitteilung von Bertelsmann kam Jäkel selbst gar nicht zu Wort. Inzwischen aber liegt auch eine Stellungnahme der ausscheidenden Chefin vor.

Julia Jäkel: "Mein Schritt, G+J zu verlassen, ist eine ganz persönliche Lebensentscheidung. Das vergangene Jahr hat auch bei mir Gedanken darüber ausgelöst, was das Leben noch mit einem anstellen kann. Diesen Gedanken möchte ich nun mehr Raum geben. Darum habe ich Bertelsmann gebeten, mir dies zu ermöglichen.  Ich verlasse Gruner + Jahr voller Dankbarkeit. Gegenüber Thomas Rabe und Bertelsmann, und ganz besonders gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Gruner + Jahr, die die Erfolge der vergangenen Jahre möglich gemacht haben. Gruner + Jahr hat gezeigt, dass es Medienwandel kann, das Haus ist digitaler, kreativer und robust, das erfüllt mich mit Stolz. Gruner + Jahr, seine Marken, seine Menschen werden immer ein Teil von mir bleiben. Einen besseren Übergang als an Stephan und Oliver kann ich mir nicht wünschen."

Ohne Jäkel agiert die Bertelsmann Boy Band 

Julia Jäkel © Gruner + Jahr Julia Jäkel
Jäkel war 2012 im Zuge des Ausscheidens von Bernd Buchholz in den Vorstand des Verlagshauses aufgestiegen, führte ihn seit 2013 und agierte seit 2015 als CEO. In ihre Amtszeit am Hamburger Baumwall fällt einerseits ein Ausbau des Digitalgeschäfts sowie der weitere Vorstoß von G+J in neue Marken und Titel, einerseits im hochpreisigen Special-Interest-Segment wie auch bei Personality-Magazinen ("Barbara", "Guido", "JWD"). Dabei wurde in den vergangenen Jahren schon die Zusammenarbeit mit der Mediengruppe RTL Deutschland gesucht. Julia Jäkel war eben auch Vorsitzende der Bertelsmann Content Alliance, eine Aufgabe die ab sofort übrigens Bernd Reichart übernimmt. Operativ war jedoch nicht Jäkel sondern ohnehin schon länger Stephan Schäfer das Bindeglied zwischen Hamburg und Köln - mit Führungspositionen an beiden Standorten. Sein Aufsteig kommt also mit Ankündigung und als klares Indiz für eine Vereinigung.

Noch vor zweieinhalb Jahren wurden die beiden deutschen Medienhäuser von Bertelsmann geführt von Anke Schäferkordt und Julia Jäkel. Ende 2018 wurde Schäferkordt gegangen, jetzt ist Jäkel raus. Bertelsmann-CEO Thomas Rabe muss sich bei dem gerade sehr umfassenden Umbau der deutschen Aktivitäten spätestens jetzt die Frage gefallen lassen, ob es im Jahr 2021 wirklich ein gutes Bild des Konzerns abgibt, wenn seine Bertelsmann Boy Band - zumindest zum jetzigen Stand - fast ohne Frauen in deutschen Führungspositionen agiert. In das Bild fällt auch die Trennung von Tanit Koch Ende vergangenen Jahres, was Julia Reuter - Geschäftsführerin Strategie, Personal & Kultur bei der Mediengruppe RTL Deutschland - zur einzig verbliebenen Frau in höheren Ämtern bei Bertelsmann und seinen deutschen Medienhäusern macht.