Wer den Livestream vom Deutschen Produzententag verfolgte, konnte zwei Top-Produzenten beim Tiefstapeln erleben. "Gerade weil es so gut läuft, ist es doch normal, dass wir legitime Forderungen stellen", sagte Oliver Berben, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Constantin Film. "Wir müssen uns daran gewöhnen, diese Diskussion zu führen. Das sollte keine Überraschung und keine Revolution sein", ergänzte Marcus Wolter, Deutschland-Chef von Banijay.

Aus Branchensicht stellt der gemeinsame Forderungskatalog von Produzentenallianz und Produzentenverband, der sich an die großen internationalen Streaming-Plattformen richtet, dennoch so etwas wie eine kleine Revolution dar. Netflix, Amazon, Disney & Co. sollen zu mehr Investitionsverantwortung im deutschen Markt verpflichtet werden. Konkret sollen sie 25 Prozent des hier erzielten Umsatzes in die Herstellung neuer europäischer Werke investieren – und davon wiederum 80 Prozent in Werke, die "überwiegend in deutscher Sprache gedreht sind oder einen Kulturtest durchlaufen".

Nur wenige Zahlen benötigte Oliver Castendyk, wissenschaftlicher Direktor der Produzentenallianz, um die Forderung zu begründen: 11,6 Milliarden Euro haben Streaming-Anbieter 2020 in der EU laut European Audiovisual Observatory eingenommen, rund 30-mal so viel wie zehn Jahre zuvor. Der "Germand Spend" liege bei gerade einmal 0,2 Prozent ihrer geschätzten Programminvestitionen von 110 Milliarden Dollar weltweit. Während die global operierenden VoD-Plattformen in erster Linie auf Weltmarktfähigkeit ihrer Inhalte aus seien, so Castendyk, könne die geforderte Investitionsverantwortung lokalen und regionalen Content stärken und damit auch die Marktpluralität. In Frankreich ist seit dem heutigen 1. Juli bereits ein entsprechendes Gesetz in Kraft, das Streamer dazu zwingt, 25 Prozent ihres Jahresnettoumsatzes für europäische und französische Produktionen auszugeben.

Was die quantitative Verpflichtung beispielsweise für Netflix bedeuten würde, überschlug Castendyk folgendermaßen: Geschätzt eine Milliarde Euro Umsatz in Deutschland hieße, dass 250 Millionen Euro Invest für neue europäische Produktionen fällig würden – eine Hürde, die Netflix schon heute übersprungen hat. Allerdings wären 80 Prozent davon 200 Millionen Euro, die in deutsche Werke investiert werden müssten – etwas mehr als die geschätzten 150 bis 160 Millionen, die Netflix bislang hierzulande ausgibt.

Doch neben den beiden Prozentzahlen haben die Lobbyverbände der Produktionswirtschaft noch zwei qualitative Anforderungen in ihr Positionspapier geschrieben: Die verlangten Anteile können demnach nur erfüllt werden, wenn "die Produktionsaufträge an Produzenten gehen, die vom jeweiligen On-Demand-Dienst unabhängig sind, und wenn kein Total Buy Out erfolgt, sondern dem Produzenten Rechte bzw. Erfolgsbeteiligungen zustehen". Berben und Wolter stimmten beim Produzententag darin überein, dass der Aspekt der Rechte für sie noch wichtiger sei als die Investitionssumme. "Man gibt mehr Energie, mehr Kreativität, mehr Leistung, wenn man als Produzent weiß, dass man über Jahre davon profitieren wird", so Berben.

Deutsche TV-Sender und deren Mediatheken oder VoD-Angebote würde die Investitionsverpflichtung nicht treffen, da sie ohnehin einen Großteil ihrer Mittel für lokale Produktionen ausgeben. Leichtere Verhandlungspartner sind sie aus Sicht der Produzenten aber trotzdem nicht. "Wenn es darum geht, wie lange ein Programm in welcher Mediathek stehen darf und wie das vergütet wird, führen wir beinharte, extrem komplexe Verhandlungen", berichtete Berben. Dies sei auch "unser täglich Brot", bestätigte Wolter, und fügte hinzu: "Wir reinvestieren permanent einen großen Teil dessen, was wir verdienen, in Kreativität, in neue Projekte. Da ist es nur angemessen, dass wir die Rechte auch gemeinsam auswerten wollen." 

Gefragt nach dem Unterschied zu Verhandlungen mit Netflix & Co., gab Constantin-Vize Berben zu Protokoll: "Deutsche Sender haben immerhin verstanden, dass sie bestimmte Leuchtturmprojekte künftig gar nicht mehr bekommen können, wenn sie auf ihren alten Buyout-Bedingungen bestehen." Nach der Bundestagswahl wollen die Produzentenverbände versuchen, bei der künftigen Bundesregierung Gehör für einen Gesetzesvorschlag nach französischem Vorbild zu finden.