"Zwischen 18:30 Uhr und 0:30 Uhr haben wir jetzt den selben Nachrichtenanteil wie die öffentlich-rechtlichen Kollegen", sagt Stephan Schmitter, Geschäftsführer der RTL News GmbH, in der die Mediengruppe RTL Deutschland ihre journalistischen Aktivitäten gebündelt hat, nicht ohne Stolz. Mit "RTL direkt" will man ab kommender Woche jenen Baustein hinzufügen, den man auch nach umfangreicher Marktforschung als bislang fehlend ausgemacht haben will.

Um 22:15 Uhr läuft die Sendung künftig montags bis donnerstags - den Freitag lässt man außen vor, um dort Platz zu lassen für Shows wie "Let's dance", die dort ja gerne abendfüllend laufen. Zudem sei dann "das Bedürfnis nach Nachrichten nicht so groß" und eher Zerstreuung und Unterhaltung als Übergang zum Wochenende gefragt, so Schmitter. An den übrigen Abenden kommt es nun aber zeitlich zur direkten Konkurrenz mit den "Tagesthemen".

Von denen möchte man schon ein paar Zuschauer abjagen. Zwar gehe es zuallererst man darum, die Zuschauer, die die RTL-Unterhaltungsformate zuvor gesehen haben, dran zu halten, RTL schielt aber auch auf jene, die aus jahrelanger Gewohnheit die Öffentlich-Rechtlichen einschalten, dort aber das Gefühl haben "so richtig bildet es nicht das ab, was wir brauchen", erkläutert es Schmitter.

Daher soll es nun also keinesfalls eine Kopie von "Tagesthemen" oder "heute-journal", sondern "eine Sendung wie keine andere werden", so Redaktionsleiter Lothar Keller. Konkret sieht das Konzept zwar am Anfang eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Meldungen des Tages vor, der Hauptteil der Sendung soll sich aber maßgeblich mit einem einzigen Thema beschäftigen, wenn möglich einen Aspekt des "Themas des Tages" eingehend beleuchten. Dies werde im Gespräch mit Studiogästen geschehen, ebenso wie mit längeren Reportage-Stücken.

Jan Hofer im RTL direkt-Studio © TVNOW / Jörg Carstensen Jan Hofer moderiert "RTL direkt" aus einem neuen Studio in Berlin

Diese Gäste können Politiker oder Experten sein, aber auch ganz "normale" Menschen, die von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten. Normalerweise wolle man erst am Tag selbst über Thema und Gast entscheiden - für die Premieren-Sendung hat man aber lieber schonmal vorgesorgt und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock fest eingeplant. Thema soll dann vor allem sein "Was kostet grüne Politik?" - generell wolle man die Themen "aus der Sicht der Menschen" beleuchten.

Dass die Sendung aus Berlin kommt - als einzige abendliche Nachrichtensendung eines großen Senders - sieht man dabei als Vorteil, schließlich sind es so kurze Wege für Politiker aber auch viele dort beheimatete Experten. Ziel sei daher auch, die Sendung wann immer möglich live zu senden. Nur wenn es terminlich nicht anders gehe, könne man eine Sendung auch mal voraufzeichnen, dann werde man die Sendung aber "live on tape" senden und nicht nachträglich schneiden. Generell erwartet man aber keine größeren Termin-Probleme: "22:15 Uhr - das sollte in einen Politiker-Terminkalender passen", so Lothar Keller. Aber weder bei den Themen noch bei den Gästen sei man generell an Berlin gebunden. "Wir sind in Deutschland unterwegs und wollen das ganze Land abbilden", so Keller.

Am Ende will man die Sendung stets mit etwas Positivem beschließen, was beispielsweise auch satirische Beiträge sein könnten. Hier sei man aber noch experimentierfreudig - wie ohnehin betont wird, dass man stetig am Konzept arbeiten und es weiterentwickeln werde. Schließlich begebe man sich auf Neuland, bislang habe sich noch kein Privatsender an einem solchen Primetime-Nachrichtenmagazin versucht.

So will Jan Hofer übrigens auch sein etwas unglückliches "Schere im Kopf"-Zitat verstanden wissen, das er in einem Podcast gab: Er habe nicht ausdrücken wollen, dass es bei der "Tagesschau" eine "Schere im Kopf" gegeben habe, sondern vielmehr, dass er an das neue Format völlig unvoreingenommen ran gehen wolle. "Das kann man nur, wenn man alles über Bord wirft, was sich so eingeschliffen hat", so Hofer, der die Krawatte künftig übrigens weg lassen wird. Als Grund, warum er nach dem Abschied von der ARD bei RTL für das neue Format angeheuert hat, sagt er übrigens: "Wann hat man schon im Leben die Chance, etwas vollkommen Neues zu machen?"

Bleibt die Frage, wie sehr Zuschauerinnen und Zuschauer von "Bachelorette" und "Schwiegertochter gesucht" wirklich an einem vertiefenden Gespräch zum "Thema des Tages" interessiert sind und wie viele Leute RTL dadurch von den "Tagesthemen" weg locken kann. Ein interessanter Wettbewerb entsteht allemal, der auch die Öffentlich-Rechtlichen nochmal dazu bringen könnte, über eingefahrene Traditionen in den Nachrichtenmagazinen nachzudenken. Falls die Quoten zu Beginn nicht gut sein sollten, baut Stephan Schmitter aber in jedem Fall schonmal vor: "Es wird ein Marathon und kein Sprint."