Der Spagat wird sportlich: Roku, einer der amerikanischen Platzhirschen im hartumkämpften Markt der Streaming-Player, kommt nach Deutschland und muss hier nochmal bei Null anfangen. Anders als in den USA, wo man zu den Pionieren des Segments gehörte, sind in Deutschland Chromecast von Google, der Fire TV Stick von Amazon und Apple TV bereits lange im Markt; haben dementsprechend einen ordentlichen Vorsprung. Ein Riese aus den USA muss also seine Nische erst noch finden in Deutschland, setzt dabei auf drei Argumente: Die technische Expertise, günstige Preise und die einfache Bedienbarkeit - mit der man insbesondere am Point-of-Sale, beim Ausprobieren in den Geschäften, überzeugen will.

Für die schwierige Aufgabe hat sich Roku die Dienste einer Streaming-Expertin geholt: Mirjam Laux ist seit Oktober vergangenen Jahres Vice President International Platform. Aus Amsterdam heraus verantwortet sie damit die internationale Plattform-Expansion des lange auf die USA fokussierten Anbieters. Laux kennt das TV-Geschäft u.a. als langjährige Geschäftsführerin von Fox Channels Germany, insbesondere aber das Streaminggeschäft sehr gut: Vor ihrem Wechsel zu Roku verantwortete sie die Einführung von Amazon Channels in Deutschland, einem damals in 2017 ebenso erklärungsbedürftigen weil neuartigen Angebot. 

Eine Dolmetscherin für Streamingangebote ist Laux aber schon weitaus länger: Vor 15 Jahren brachte sie für ProSiebenSat.1 mit Maxdome den ersten deutschen Streamingdienst an den Start. Zu dem Zeitpunkt hatten weder Netflix noch Amazon das Streaming überhaupt für sich entdeckt. Damals galt es zu erklären, was dieses Streaming eigentlich ist. Heute ist es Laux' Aufgabe zu erklären, warum Roku mit seinen Produkten bislang im deutschen Markt gefehlt hat. Sie setzt, wie sie im Gespräch mit DWDL.de erklärt, auf die lange Expertise der aktuell an der Börse mit 45 Milliarden Dollar bewerteten Tech-Company, die enger verbunden ist mit dem Streaming-Zeitalter als die meisten wissen.

Mirjam Laux © Roku Mirjam Laux will Roku in Deutschland etablieren

Roku-Gründer Anthony Wood wurde 2007 von Netflix angeheuert, um für den damaligen DVD-Verleiher eine Streamingbox für den Start ins Streaminggeschäft zu entwickeln. Neun Monate später aber stoppte Netflix-CEO Reed Hastings das Projekt "Netflix Player". Statt auf eine eigene Hardware, wollte Netflix auf Kooperationen mit Herstellern von TV-Geräten setzen. Der Kampf für eine Netflix-Taste auf deren Fernbedienungen ließ sich einfacher führen, wenn man ihnen nicht selbst Konkurrenz machte. Wood nahm die Entwicklungsarbeit und einige Kolleginnen und Kollegen mit. Netflix hielt anfangs sogar 15 Prozent an Roku, die man aber aufgrund des Interessenkonflikts dann ebenfalls verkaufte. 

Im US-Markt war Roku lange nicht nur Marktführer im Segment der Streaming-Sticks und -player, sondern Inbegriff für die Geräte-Gattung. Doch zuletzt haben die Fire TV-Geräte von Amazon gleich gezogen: Der Marktanteil beider Anbieter liegt im US-Markt derzeit bei etwa 36 Prozent, Apple TV und Chromecast deulich dahinter. Wachstum verspricht sich Roku daher einerseits von der internationalen Expansion unter Führung von Mirjam Laux. Andererseits von einem stärkeren Inhalte-Geschäft im Heimatmarkt. 

Die Content-Ambitionen von Roku im deutschen Markt spielt Laux im Gespräch jedoch herunter. Mit dem Roku Channel und dem Erwerb aller Inhalte des gescheiterten Streamingdienstes Quibi mischt Roku in den USA längst auch inhaltlich mit, wurde damit vom neutralen Transporteur der Streamingdienste anderer selbst zum Inhalte-Anbieter. Diese Wettbewerbssituation wird es in Deutschland zumindest vorerst nicht geben: Hier startet Roku erst einmal ohne das eigene Content-Angebot. Es gehe naheliegender jetzt darum, Reichweite zu generieren, betont Laux.

Wann genau Roku in Deutschland startet, will man aber noch nicht sagen. Auch nicht mit welchen Geräten genau. Oder zu welchem Preis. Der Launch von Roku in Deutschland - bislang noch wenig konkret. Vielleicht auch, weil man noch dabei ist, Content-Partner zu sammeln. Die frühzeitige Kommunikation dient also nicht nur dem Konsumentenmarkt. An Bord sind bereits die internationalen Dienste Netflix, Prime Video und Disney+. Dank Deals mit der Mediengruppe RTL Deutschland, Sky und Seven.One Entertainment werden auch TVNow (bald RTL+), Sky Ticket sowie Inhalte der Sender von Seven.One Entertainment über die Roku-Geräte zu sehen sein.

Bemerkenswert daran ist ein Detail: Roku hat keinen Deal mit Joyn, sondern direkt mit Seven.One Entertainment geschlossen. Laux enthält sich eines Kommentars. Nicole Agudo Berbel, Chief Distribution Officer, bei Seven.One Entertainment sagt zum Deal: "Unser Ziel ist es, unsere Inhalte auf allen relevanten Plattformen anzubieten – mit dem Ziel, unsere Zuschauer und Zielgruppen jederzeit und überall zu erreichen." Das geht also auch an Joyn vorbei. Aus der Traumhochzeit mit Discovery ist ohnehin längst eine Zweckehe geworden, bei der der Markt schon wettet, wer zuerst die Scheidung einreicht.