Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat massive Kritik am Vorgehen der der Ippen-Gruppe geäußert. Grund dafür ist der Vorwurf des Ippen-Investigativteams, dass eine Berichterstattung über mutmaßliche Fälle des Machtmissverbrauchs bei Axel Springer verhindert wurde. Dass es nicht zur Veröffentlichung kam, liegt offenbar an Dirk Ippen, dem inzwischen 81-jährigen Verleger. Dieser habe sich "nach intensiver und harter Diskussion" letztlich "klar gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen", wie es in einer Mail von Ippen-Digitalchef Markus Knall heißt, aus der in einem Protestschreiben der Investigativ-Redaktion zitiert wird.

Der DJV forderte die Ippen-Gruppe und den Altverleger vor diesem Hintergrund nachdrücklich auf, die Trennung von Redaktion und Verlag zu beachten. "Sollten die Vorwürfe des Ippen-Investigativteams zutreffen, dass Herr Ippen persönlich die Berichterstattung verhindert hat, dann wäre das ein massiver Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit und die innere Pressefreiheit der Redaktion bei der Ippen-Gruppe", so DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. "Ein solcher Eingriff nach Gutsherrenart wäre völlig inakzeptabel. Verleger haben grundsätzlich die Finger von redaktionellen Entscheidungen zu lassen."

Die "New York Times" und "Übermedien" hatten am Sonntagabend über die Vorwürfe und das Protestschreiben des Investigativ-Teams berichtet. "Die Entscheidung ist eine absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag. Wir fühlen uns dadurch in unserer Arbeit als Investigativ-Team beschnitten", schrieben die Journalistinnen und Journalisten, deren Recherchen über Springer und "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt ursprünglich am Sonntag erscheinen sollten.

"So wird Vertrauen zerstört und die Redaktion beschädigt", erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall weiter. Auch für die "Lügenpresse"-Rufer und Verschwörungsideologen, die von gesteuerten Medien fabulieren, sei der Vorgang Wasser auf ihre Mühlen. "Dirk Ippen und der Verlag müssen jetzt dringend für Transparenz sorgen. Es muss klar sein, dass die Redaktion und das Investigativ-Team frei arbeiten und veröffentlichen können."

Kritik kam auch von der in der Gewerkschaft ver.di organisierten Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju). "Ein solches Vorgehen ist unerhört und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit dar", erklärte die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll. "Es darf absolut nicht sein, dass Ängste, Sorgen, Zweifel und persönliche Vorlieben statt redaktioneller oder juristischer Gründe Investigativrecherchen verhindern." Große Medienhäuser wie der Ippen-Verlag hätten eine publizistische Verantwortung. Dazu gehöre auch die Einhaltung des Grundsatzes, dass Verlag und Redaktion getrennt arbeiten müssten. Groll warnte zudem davor, dass durch Entscheidungen wie diese der strukturelle Sexismus im Journalismus aufrechterhalten bliebe. "Auf diese Weise entsteht ein Kartell des Schweigens, das jegliche Veränderung für mehr Toleranz, Gleichberechtigung und Vielfalt in den Redaktionen verhindert."

Ippen: "Keinerlei Einwirkungen auf mich"

Laut "Übermedien" sollen Vertreter von Axel Springer Kontakt zu "hochrangigen Ippen-Verlagsleuten" aufgenommen und versucht haben, auf sie einzuwirken, eine Veröffentlichung zu verhindern. Diesen Vorwurf weist Dirk Ippen jedoch zurück. "Es hat keinerlei Einwirkungen seitens des Hauses Springer auf mich in dieser Sache gegeben, ganz und gar keine", erklärte der Verleger gegenüber dem Satiriker Jan Böhmermann und dessen Redaktion, wie Hanna Herbst, Chefin vom Dienst beim "ZDF Magazin Royale", am Vormittag auf Twitter veröffentlichte.

Die Ippen-Gruppe rechtfertigte das fragwürdige Vorgehen gegenüber "Übermedien" damit, dass der der Anschein vermieden werden solle, "eine publizistische Veröffentlichung mit dem wirtschaftlichen Interesse zu verbinden, dem Wettbewerber zu schaden". Und weiter: "Unter den derzeit recherchierenden Titeln die ersten zu sein, die die Vorwürfe bringen, scheidet nach der Überzeugung der Gruppe wegen der direkten Konkurrenzsituation einzelner Titel und Angebote zwischen Axel Springer und der Mediengruppe Ippen aus." Das ist insofern kurios, als dass das Ippen-Investigativteam keineswegs als erstes über Vorwürfe gegen "Bild"-Chef Reichelt berichteten - vielmehr blieben die Journalistinnen und Journalisten an jenem Thema dran, über das "Spiegel" und "Zeit" bereits im Frühjahr geschrieben hatten. 

Unterdessen hat sich auch der Springer-Verlag geäußert. Man fühle sich zu "größtmöglicher Transparenz verpflichtet" und habe "grundsätzlich kein Problem mit einer kritischen Auseinandersetzung", heißt es in einer Stellungnahme. "Auch eine solche Berichterstattung muss jedoch eine Grenze finden, wo es um die geschützte Privat- und Vertraulichkeitssphäre von Mitarbeitern sowie insbesondere - in diesem konkreten Fall - von Zeugen geht, denen im Rahmen des im Frühjahr abgeschlossenen Compliance-Verfahrens strikte Anonymität zugesichert wurde." Mit Wissen von Axel Springer habe es keinen Versuch gegeben, Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Compliance-Untersuchung zu verhindern. "Davon unbenommen sind rechtliche Hinweise, die der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter dienen."

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