Dass jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer immer weniger lineares Fernsehen schauen, ist bekannt. Das bekommen alle Sender zu spüren, vor allem aber die Öffentlich-Rechtlichen. War 1999 noch ein Drittel des Publikums des Ersten jünger als 50 Jahre, so betrug dieser Wert 2020 gerade mal noch 18 Prozent. Der Handlungsbedarf ist also offensichtlich und wurde inzwischen von ARD und ZDF gleichermaßen erkannt.

Eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die sich in diesem Segment besonders stark engagiert, ist der SWR, dessen digitale Programmoffensive so erfolgreich war, dass die Nutzung des SWR-Channels in der ARD-Mediathek zuletzt um 70 Prozent stieg, wie Programmdirektor Clemens Bratzler am Freitag bei einem Pressetermin in Berlin nicht ohne Stolz erwähnte. "Wir haben ziemlich viel investiert", sagte er mit Blick auf neue Dokus und Serien, die sich speziell an ein jüngeres Publikum richten. 

An diesen Erfolg will der SWR im kommenden Jahr anknüpfen. So soll nach erfolgreichem Testlauf eine ganze Staffel der fiktionalen Serie "Almania" mit Phil Laude gedreht werden, aber auch die Doku-Reihe "Nachtstreife" erhält eine Fortsetzung. Vor allem an neuen Erzählperspektiven ist Bratzler gelegen. Dazu passt die vierteilige Doku-Reihe namens "Kids & Trouble", die sich großen Fragen rund ums Kinderkriegen widmet, aber auch die Polit-Doku "100 Tage", die mehrere Politikerinnen und Politiker, darunter Lars Klingbeil, Tilman Kuban und Katja Kipping, in den Monaten nach der Bundestagswahl sehr nah begleitet. Die ersten Folgen davon sollen voraussichtlich im Januar in der ARD-Mediathek zu sehen sein.

In der Fiktion setzt der SWR indes auf "Höllgrund", eine lokal verortete und horizontal erzählte Crime-Serie über einen jungen Landarzt, der in eine rätselhafte Mordserie verstrickt ist. Creator und Autor Marc O. Seng hat die Serie entwickelt, Lea Becker und Hanno Olderdissen zeichnen für die Inzenierung verantwortlich. Vor der Kamera stehen unter anderem Lou Strenger, August Wittgenstein und Heiner Lauterbach. Die Ausstrahlung ist für den Herbst kommenden Jahres geplant. Das gilt auch für das historische Drama "Das durchstoßene Herz" von Holger Karsten Schmidt, das sich mit der Tragödie der Flugschau in Ramstein vor mehr als 30 Jahren befasst. Zu sehen geben wird es diesen Film dann auch im Ersten.

Schon im kommenden Frühjahr wird es zudem den ARD-Thementag "Unser Wasser" geben, der unter der Federführung des SWR entsteht und sich womöglich auch der Chronobiologie widmet. Elementare Teile sind der investigative Fernsehfilm "Lauterbronn" von Daniel Harrich, die Dokumentation "Bis zum letzten Tropfen - Die Geschäfte mit unserem Wasser" sowie diverse Aktionen, bei denen der Sender auch auf die Beteiligung des Publikums setzt.

"Gute Unterhaltung" mit Pierre M. Krause

Die Pierre M. Krause Show © SWR/Stephanie Schweigert Pierre M. Krause
In der Unterhaltung setzt der SWR unterdessen neben der bereits angekündigten neuen Show mit Komikerin Tahnee weiter auf Pierre M. Krause. Nach dem Aus seiner langjährigen Late-Night-Show soll er fortan monatlich in einem 45-minütigen Format mit dem Titel "Gute Unterhaltung" zu sehen sein. Dabei handelt es um eine Personalityshow, in der Krause mit zwei bis drei Gästen über ein Thema, darunter möglicherweise über den sogenannten "Gendergerechtigkeitswahnsinn", diskutieren wird - "aber stark unterhaltend", wie Programmdirektor Clemens Bratzler betonte. Produziert wird die Show von dibido im Baden-Badener E-Werk. Die Firma wird auch neue Folgen der beliebten "Kurzstrecke" mit Pierre M. Krause herstellen.

Bratzler hatte am Freitag allerdings nicht nur klassisches Bewegtbild im Gepäck. So kündigte er an, dass 2022 ein Nachrichtenangebot für die sogenannte "Generation Z" an den Start gehen soll, das sich vorwiegend an 16- bis 25-Jährige richtet, die sonst eher nicht die klassischen SWR-Angebot nutzen. Und schon voraussichtlich im Januar wird "MixTalk" loslegen - eine Plattform für Video-Debattten, bei der es darum geht, unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen ins Gespräch zu bringen und einen offenen Austausch zu moderieren. Das Konzept: Wer miteinander diskutiert, wird nach dem Zufallsprinzip entschieden. Pro Debatten-Paar beträgt die Redezeit zwischen fünf und acht Minuten. Es gehe darum, "eine Debattenkultur ohne Hass und Hetze" zu fördern, heißt es. Einmal wöchentlich soll der "MixTalk" live auf Sendung gehen.

"Unsere wertvollen Inhalte erreichen nur noch einen Teil der Gesellschaft", sagte Bratzler in Berlin über den Status Quo, den man scherzhaft auch als Dreifaltigkeitskrise bezeichnet könnte. Mit den jetzt angekündigten Projekten könnte die Schraube zumindest wieder ein wenig in Richtung jüngerer Zuschauerinnen und Zuschauer zurückgedreht werden.