Die MaLisa Stiftung sowie die UFA haben eine Studie initiiert und gefördert, in der es um geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen geht, die Ergebnisse sind heute veröffentlicht worden. Durchgeführt worden ist die Studie, die ein Kooperationsprojekt der Hochschule Wismar und der Universität Rostock ist, von Prof. Dr. Christine Linke und Ruth Kasdorf M.A. Analysiert wurde eine repräsentative Stichprobe von zwei künstlichen Wochen der Programme von Das Erste, ZDF, RTL, RTLzwei, Vox, ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins. Diese sind 2020 zwischen 18 und 22 Uhr ausgestrahlt worden.

Dabei sind mehr als 450 Stunden Material zusammengekommen, die Studienverantwortlichen zählen zudem 545 unterschiedliche Sendungen, wobei die Anteile von Fiktion (35 Prozent), Information (36 Prozent) und Unterhaltung (29 Prozent) recht ähnlich verteilt sind. Das Ergebnis: In 34 Prozent der Gesamtsendungen gibt es geschlechtsspezifische Gewalt, dabei handelt es sich vor allem um schwere Gewalt gegen Frauen und Kinder. Gezählt wurden 290 Gewalthandlungen, die 390 unterschiedliche Tatbestände umfassen. 

Am häufigsten kommen solche Szenen natürlich in fiktionalen Programmen vor, hier besonders bei Krimiserien, die alleine 26 Prozent aller Sendungen ausmachen, in denen geschlechtsspezifische Gewalt festgestellt wurde. Aber auch in Daily Soaps (7 Prozent), Nachrichten (12 Prozent) oder auch Unterhaltungsshows (5 Prozent) sowie Realityshows und Dokusoaps (4 Prozent) ist das Thema präsent.

Die Studie zeigt auch, dass die Betroffenen von entsprechender Gewalt nur in acht Prozent der Darstellungen ausführlich selbst zu Wort kommen. "Differenzierte Opferperspektive" nennen das die Macherinnen und Macher der Studie. In immerhin 22 Prozent der Fälle gibt es eine "anteilige Opferperspektive". In einem überwiegenden Anteil gibt es allerdings keine bzw. nur eine am Rande erzählte Opferperspektive. Studienleiterin Prof. Dr. Christine Linke sagt dazu: "Geschlechtsspezifische Gewalt ist vielfach im deutschen Fernsehen sichtbar, die Perspektive von Betroffenen steht aber nur selten im Zentrum. Besonders ernüchternd ist, dass Möglichkeiten der Prävention und Hilfsangebote kaum vermittelt werden. Die Studie zeigt klar: Es besteht Handlungsbedarf. Über geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen müssen wir diskutieren."

UFA: "Wir reflektieren viel zu wenig"

Die Studie hat außerdem ergeben, dass bei der Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt Vorabwarnungen über den Inhalt, Hinweise auf Hilfsangebote für Betroffene und die Beschreibung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen häufig fehlen würden. Maria Furtwängler, Co-Gründerin der MaLisa Stiftung: "Medien prägen unsere Wahrnehmung der Realität. Wir als Medienschaffende haben dadurch eine besondere Verantwortung, gerade bei einem gesellschaftlich so dringlichen Thema wie Gewalt gegen Frauen. Wenn wir diese verzerrt darstellen, werden wir eher ein Teil des Problems, dabei können und sollten wir Teil der Lösung sein. Die Ergebnisse der Studie geben uns viele Impulse für unser zukünftiges Handeln."

Bei der UFA will man aufgrund der Ergebnisse der Studie nun Veränderungen anstoßen. Geschäftsführer Joachim Kosack kündigt Workshops an, in denen man sich mit dem Thema auseinandersetzen wolle. "Als Produktionsfirma rütteln uns die Ergebnisse der Studie ‚Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen‘ auf", sagt Kosack. "Gerade weil die erzählerische Form des Krimis auch bei uns einen großen Raum einnimmt. Aber nicht nur beim Krimi achten wir zu wenig auf das Thema. Bei der Entwicklung unserer Stoffe reflektieren wir viel zu wenig, dass immer wieder stereotypisierte Erzählmuster wiederholt werden bzw. nicht in einen Kontext gesetzt werden, der diese Muster dramaturgisch einordnet."

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