Der neue "Bild"-Chefredakteur Johannes Boie ist noch nicht lange im Amt, da hat das Boulevardblatt, das sich neuerdings auch im Fernsehen ausprobiert, mal wieder für einen Aufreger der peinlichen Art gesorgt. "Dieses Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest" schrieb "Bild" vor wenigen Tagen und war sich auch nicht zu schade, in die Collage der Fotos einer Wissenschaftlerin und zweier Wissenschaftler, die als "Lockdown-Macher" betitelt wurden, noch Geschenk-Pakete zu montieren - versehen mit Aufschriften wie "Kino-Verbot für Ungeimpfte" und "Familienfest nach Corona-Regeln".
An Kritik mangelte es in Folge dessen nicht, was sich auch in einer Vielzahl an Beschwerden zeigte. 94 solcher Beschwerden von mehreren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der Berliner Humboldt-Universität sind inzwischen beim Deutschen Presserat eingegangen, der auf dieser Grundlage jetzt ein Beschwerdeverfahren gegen "Bild" und "Bild.de" eingeleitet hat.
"Im Mittelpunkt unseres Verfahrens steht die Frage, ob die Redaktion das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1 und ihre Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex verletzt hat", so der Sprecher des Presserats Sascha Borowski. Über den Fall wird der Presserat allerdings erst Ende März entscheiden, wenn die nächste Sitzung ansteht.
Der Artikel erwecke den Eindruck, dass Wissenschaftler Corona-Maßnahmen beschließen, für die tatsächlich aber die Politik verantwortlich sei, so die Kritik. Dies schüre Verschwörungstheorien und Hetze auf Wissenschaftler. "Einige Beschwerdeführer stützen sich in diesem Zusammenhang auf die Ziffer 3 des Pressekodex, nach der Behauptungen, die sich nachträglich als falsch erweisen, von der Redaktion korrigiert werden müssen", sagte Borowski. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des umstrittenen Artikels hattten Wissenschaftsorganisationen scharfe Kritik an "Bild" geübt (DWDL.de berichtete).
Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art: Erst im vergangenen Jahr hatte "Bild" massive Kritik auf sich gezogen, weil das Springer-Blatt - damals noch unter der Verantwortung von Julian Reichelt - eine Kampagne gegen den Virologen Christian Drosten gefahren hatte.