Unabhängige Berichterstattung gibt es in Russland kaum noch, die meisten Menschen informieren sich dort über die staatlich gelenkten Medien, in denen der Krieg gegen die Ukraine bekanntlich noch nicht mal Krieg genannt werden darf. Um so bemerkenswerter war Mitte März der Protest von Marina Owsjannikowa, die bis dahin beim halbstaatlichen Sender Perwy kanal angestellt war und inmitten einer Live-Sendung plötzlich hinter der Moderatorin auftauchte und ein Plakat mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen" in die Kamera hielt.
Owsjannikowa war in der Folge festgenommen und in einem ersten Verfahren zu einer Geldstrafe verurteilt worden, ein zweites Verfahren läuft aktuell. Dass sie bei ihrem einstigen Sender nicht mehr arbeiten kann, liegt auf der Hand. Die Journalistin wird künftig aber als freie Korrespondentin für die "Welt" tätig sein und sowohl für die Zeitung schreiben wie auch regelmäßig beim Nachrichtensender zugeschaltet sein, wie Springer am Montag ankündigte.
Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt-Gruppe und Sprecher der Geschäftsführung der WeltN24GmbH: "Marina Owsjannikowa hat in einem entscheidenden Moment den Mut gehabt, die Zuschauer in Russland mit einem ungeschönten Bild der Wirklichkeit zu konfrontieren. Damit hat sie die wichtigsten journalistischen Tugenden verteidigt – und das trotz drohender staatlicher Repression. Ich bin gespannt auf die Zusammenarbeit." Marina Owsjannikowa sagt: "'Welt' steht für das, was in der Ukraine von den mutigen Menschen vor Ort gerade so vehement verteidigt wird: für Freiheit. Ich sehe es als meine Aufgabe als Journalistin für diese Freiheit einzutreten. Dies jetzt für 'Welt' tun zu dürfen, darüber freue ich mich besonders."